+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Angriffe auf Mykolajiw und Charkiw

Die Städte Charkiw und Mykolajiw waren in der Nacht zum Sonntag erneut Ziel russischer Angriffe. Ukrainischer Regierungschef fordert in Berlin mehr schwere Waffen

3. September 2022: Zerstörte Fahrzeuge und Gebäude nach Beschuss in Charkiw Foto: dpa

Ukrainischer Regierungschef fordert in Berlin mehr schwere Waffen

Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal hat bei seinem Besuch in Berlin um weitere Lieferungen von schweren Waffen für sein Land gebeten. Bei einem Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterstrich Schmyhal nach Angaben seines Büros am Sonntag, wie wichtig es für sein Land sei, dass die Waffenlieferungen „verstärkt“ würden. Die Ukraine hoffe, dass Deutschland insbesondere bei der Luftabwehr gegen die russischen Angreifer eine „führende Rolle“ einnehmen werde.

Die von Deutschland gelieferten Panzerhaubitzen des Typs 2000 sowie die Raketenwerfer Mars II hätten sich „auf dem Schlachtfeld bewährt“, sagte Schmygal den Angaben zufolge bei dem Treffen mit dem Bundespräsidenten in Schloss Bellevue. „Wir hoffen, dass die Lieferungen schwerer Waffen ausgebaut werden können“, fügte er demnach hinzu. (afp)

Russisches Militär greift Mykolajiw und Charkiw an

Granaten der russischen Streitkräfte sind in der Nacht zum Sonntag in der ukrainischen Hafenstadt Mykolajiw eingeschlagen. Eine medizinische Einrichtung sei getroffen und beschädigt worden, teilte der Bürgermeister der Stadt mit. Auch die Großstadt Charkiw war erneut Ziel von russischen Angriffen.

Mykolajiw und die umliegende Region geraten seit Wochen praktisch täglich unter Beschuss. Am Samstag wurden bei Raketenangriffen ein Kind getötet und fünf Menschen verletzt, sagte Gouverneur Witalij Kim. Der Bürgermeister von Mykolajiw, Oleksandr Senkewytsch äußerte sich nicht dazu, ob bei dem nächtlichen Angriff Menschen verletzt wurden.

In Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, setzte russischer Granatenbeschuss am Samstagabend einen hölzernen Restaurantkomplex in Brand, wie der Rettungsdienst der Region mitteilte. Bei den Angriffen in der Region wurde ein Mensch getötet und zwei wurden verletzt, wie Gouverneur Oleh Synjehubow sagte. Der Gouverneur von Donezk im Osten der Ukraine, Pawlo Kyrylenko, meldete vier Todesopfer durch russische Angriffe. (ap)

Ukrainischer Regierungschef dankt in Berlin für deutsche Unterstützung

Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal hat bei einem Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin für die deutsche Hilfe gedankt. Bei dem Treffen mit dem Bundespräsidenten sei es um die militärische Lage in der Ukraine, um die Verschärfung der Sanktionen gegen Russland und um weitere Waffenlieferungen an die Ukraine gegangen, erklärte Schmyhal im Kurzbotschaftendienst Twitter. Er habe sich „für die Solidarität mit den Ukrainern und die Unterstützung bedankt“, schrieb Schmyhal – und fügte hinzu: „Wir werden gewinnen.“

Steinmeier habe bei dem einstündigen Treffen zugesichert, dass Deutschland „weiter zuverlässig solidarisch an der Seite der Ukraine stehen“ werde, erklärte die Sprecherin des Bundespräsidenten auf Twitter. Die beiden Politiker hätten sich auch über „Hilfe beim Wiederaufbau der Ukraine“ ausgetauscht.

Weitere Gesprächspartner Schmyhals bei seinem Berlin-Besuch sind Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). Schulze sagte der Ukraine vor dem Treffen Hilfen in Höhe von 200 Millionen Euro für die Versorgung von Binnenflüchtlingen zu. (afp)

„Putins Bluthund“: Ramsan Kadyrow kündigt „unbefristeten Urlaub“ an

Der gefürchtete Führer der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, will sich angeblich zurückziehen. In einem Telegram-Video gab der „Bluthund“ Putins, wie er oft genannt wird, am Samstag einen „langen und unbefristeten“ Urlaub bekannt. „Wir haben ein Sprichwort unter Kaukasiern, Tschetschenen. Egal, wie respektiert und lang erwartet ein Gast ist, wenn er pünktlich geht, dann ist es noch angenehmer. Meine Zeit ist gekommen, bevor sie mich herausschmeißen“, heißt es in einer Übersetzung des oppositionellen „Nexta TV“. „Mir wurde klar, dass ich schon lange in meiner Position bin“, sagte er laut Radio Free Europe in dem Video-Statement.

Der 45-Jährige regiert Tschetschenien seit 2007 mit eiserner Faust. Vor einem Jahr wurde sein Wahlergebnis mit 99,6 Prozent angegeben. Seiner Regierung werden massive Menschenrechtsverletzungen und auch Morde an Oppositionellen in anderen Teilen Russlands vorgeworfen.

Im Ukraine-Krieg hat Kadyrow die russische Armee mit eigenen Soldaten unterstützt, die als besonders brutal gelten. Am Massaker von Butscha sollen Einheiten aus Tschetschenien beteiligt gewesen sein, im Donbass machen sie mit Plünderungen von sich reden. Im Mai drohte Kadyrow, den Ukraine-Krieg auf Polen auszuweiten, im Juli sprach er von einem „heiligen Krieg“ gegen den Westen und die Ukraine. Immer wieder hat Kadyrow allerdings auch klargemacht, dass er nicht allein auf Geheiß Putins handelt, sondern aus eigenem Impuls. Inzwischen sollen die meisten der mehreren tausend von Kadyrow aus Tschetschenien in den Krieg entsandten Soldaten gefallen sein, während auch tschetschenische Rebellen auf der Seite der Ukraine kämpfen.

Ob Kadyrow sich wirklich zurückzieht, blieb zunächst unklar. „Die Ratte verlässt das sinkende Schiff“, kommentierten ukrainische Twitter-Nutzer die Nachricht. Manche wiesen aber auch darauf hin, dass russische Politiker nun an Kadyrow appellierten, zu bleiben. (taz)

Schmyhal in Berlin

Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal kommt am Sonntag nach Berlin. Er wird zunächst von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen (10.00 Uhr). Später (14.00 Uhr) empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Gast mit militärischen Ehren im Kanzleramt. Eine zunächst für den Nachmittag angesetzte Pressekonferenz von Scholz und Schmyhal wurde am Samstag vom Bundeskanzleramt mit Verweis auf Termingründe abgesagt.

Beim Gespräch zwischen Scholz und Schmyhal soll es nach Angaben der Bundesregierung vor allem um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sowie Fragen des Wiederaufbaus gehen. Der Wiederaufbau dürfte auch Thema bei einem Treffen Schmyhals mit Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sein (12.00 Uhr). (afp)

AKW Saporischschja nur noch an Reserveleitung

Trotz der Präsenz internationaler Inspektoren bleibt die Lage am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja instabil. Am Samstag wurde erneut die letzte verbliebene Hauptstromleitung zwischen dem von russischen Truppen besetzten Kraftwerk und dem ukrainischen Stromnetz abgeschnitten, wie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) mitteilte. Die Leitung sei „nach neuen Bombardements in der Zone“ gekappt worden. Die Verbindung zum ukrainischen Stromnetz werde jedoch über eine Reserveleitung aufrechterhalten.

Die IAEA sei „heute vor Ort“ darüber informiert worden, dass das Akw „erneut seine Verbindung zur letzten verbliebenen externen Stromleitung verloren hat“, erklärte die Organisation. Nach ihren Angaben verfügte das Akw ursprünglich über vier Hauptleitungen zum ukrainischen Stromnetz. Drei davon seien schon „früher während des Konflikts“ abgeschnitten worden.

Die letzte verbliebene Hauptleitung wurde bereits am 25. August abgetrennt. Die Unterbrechung der Leitung dauerte damals einen Tag.

Satellitenaufnahme von Schäden am Atomkraftwerk Saporischschja

Bestandsaufnahme aus der Luft: Satellitenaufnahme von Schäden am Atomkraftwerk Saporischschja Foto: Maxar Technologies

Die IAEA teilte am Samstag mit, einer der sechs Reaktoren in Saporischschja arbeite noch. Er produziere Strom „sowohl für die Kühlung als auch für andere wesentliche Sicherheitsfunktionen der Anlage und über das Stromnetz für Haushalte, Fabriken und andere“.

Nach Angaben der ukrainischen Betreibergesellschaft Energoatom musste wegen des „fortgesetzten Beschusses durch die russischen Besatzer“ ein anderer Reaktor abgeschaltet werden. Die übrigen vier Reaktoren waren schon früher im Verlauf des russischen Angriffskrieges abgeschaltet worden.

Der letzte noch arbeitende Reaktor „liefert über die Reserveleitung Elektrizität mit begrenzter Kapazität an das Energiesystem der Ukraine“ und versorge auch das Akw selbst, erklärte Energoatom. (afp)

200 Millionen Euro für Binnenflüchtlinge

Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat der Ukraine neue Hilfen im Umfang von 200 Millionen Euro zugesagt. „Ich werde mit Ministerpräsident Schmyhal darüber sprechen, wie wir die ukrainische Regierung bei der Versorgung der vertriebenen Menschen weiter unterstützen können“, sagt die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe laut einem Vorabbericht.

Dabei gehe es um Wohnraum, Wärme, Kleidung und Medizin. „Der Großteil unserer neuen Hilfen, 200 Millionen Euro, sollen in ein Programm der ukrainischen Regierung zur Unterstützung von Binnenvertriebenen fließen. Das Geld soll dabei helfen, dass sich die Vertriebenen in der Ukraine weiterhin mit dem Nötigsten selbst versorgen können.“ (reuters)

Proteste in Tschechien gegen Ukraine-Politik

Zehntausende Anhänger des rechten und des linken Spektrums haben am Samstag in Prag gegen die tschechische Regierung protestiert. Die Polizei schätzte die Zahl der Demonstrierenden auf dem Wenzelsplatz auf etwa 70 000. Sie forderten den Rücktritt der Koalitionsregierung unter Führung des konservativen Ministerpräsidenten Petr Fiala.

Zu den Teilnehmern der Demonstration zählten unter anderem Anhänger der rechtsextremen Partei Freiheit und direkte Demokratie und der Kommunistischen Partei. Die Protestierenden kritisierten die Regierung wegen deren Unterstützung der Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit Moskaus Angriffskrieg in der Ukraine und warfen ihr vor, nicht genug gegen den Anstieg der Energiekosten zu tun. Auch die Nato, die EU und deren Pläne zur Begrenzung des Ausstoßes von Treibhausgasen kritisierten die Demonstrierenden.

Fiala sagte, jeder habe das Recht zu demonstrieren. Die Protestierenden unterstützten aber prorussische Positionen, die nicht im Interesse Tschechiens und seiner Bürger seien. (afp)

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