Reaktionen auf Dürresommer in Klimakrise: Echt? Zwei und zwei sind vier?

Noch ein Dürresommer. Und dabei ist vor allem eines erstaunlich: Wie erstaunt wir über die Zustände sind.

Rheinschleife mit ausgetrocknetem Ufer

Echt jetzt: Rhein bei Bingen Anfang August Foto: Michael Probst/ap

Irgendwas ist bei mir mächtig schiefgelaufen. Ich bin ein privilegierter alter weißer Mann. Ich lebe in Berlin. Ich bin Journalist. Ich schreibe seit 30 Jahren über Umweltpolitik. Und ich bin trotzdem kein Zyniker. Aber letzte Woche telefonierte ich mit meinem Kollegen Bill in Texas. Wir sprachen über die Hitze in den USA und Europa, die Unwetter, die Fluten und Brände. Und immer wieder schlich sich der Teufel des „Haben wir es Euch nicht schon lange gesagt?“ in unser Gespräch.

Das wirklich Erstaunliche an diesem wieder einmal heißen Dürresommer ist ja: Wie erstaunt alle über diese Zustände sind. Ja, wir haben in der Schule alle in Physik und Chemie geschlafen, aber dieses „Nichtwissenwollen und dann überrascht die Augen reiben“ ist schon bemerkenswert.

Wie jetzt? Wenn man die Atmosphäre mit Treibhausgase aufheizt, wird es immer wärmer? Wirklich? Warmes Wasser dehnt sich aus und überflutet die Strände? Was? Je heißer und trockener es wird, desto weniger Regen bewässert unsere Felder? Echt jetzt? Wenn es nicht mehr regnet, werden selbst große Flüsse zu Kinderplanschbecken? Huch! In der Dürre können auch in Deutschland Wälder brennen? Und selbst Schweizer Qualitätsgletscher schmelzen ab, wenn die Sonne glüht? Unglaublich: Starkregen löst das Problem nicht, sondern führt nur zu Überschwemmung? Zwei und zwei sind wirklich vier? Wenn wir das mal gewusst hätten!

Ein bisschen Ignoranz, schön und gut, das hilft durchs Leben. Aber das hier war Realitätsverweigerung mit gespieltem Erstaunen. Früher gab es für die große Mehrheit keinen Klimawandel, dann war er kein Problem, dann wollten wir uns lieber anpassen, und vor allem bloß nicht übertreiben und auf keinen Fall Panik machen! Klimakrise war in diesem Denken weit weg und etwas für Opfer: arme Länder, arme Leute, arme Schweine. Plötzlich sind es auch wir reichen Länder, wir reichen Leute und unsere reichen Kuscheltiere, denen der Boden unter den Füßen brennt.

Ob Wirtschaft, Euro, Flüchtlinge oder Krieg: Immer gab es in den letzten Jahren eine dringendere Krise. Die gute Nachricht der letzten Sommer, wenn ich das mal zynisch sagen darf, ist aber: Erdüberhitzung – und bisher sind es ja „nur“ 1,2 Grad – gehört jetzt auch dazu. Man kann sie nicht mehr wegdrücken. Wir hätten es nicht nur wissen können. Wir wussten es. Da muss man gar nicht so überrascht Sondersendungen im Fernsehen ansetzen oder von „Jahrhundertfluten“ reden, die in zwei Jahren wiederkommen.

Gewöhnt euch dran, ruft der Metaphern-Zyniker in mir: Das sind heiße Eisen, die wir mit brennender Sorge sehen. Es kommen stürmische Zeiten, wo uns das Wasser bis zum Hals stehen wird. Wer deprimiert durch den trockenen Rhein marschiert, für den ist jeder Sonnentag ein echter Niederschlag. Und ich wollte meinen Job eigentlich nie so wörtlich nehmen, wie er jetzt aussieht. Als Rufer in der Wüste.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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