Labelgründer über die Liebe zum Krach: „Man muss ein dickes Fell haben“

Seit 30 Jahren betreibt Bernd Kroschewski das Noiserock-Label Fidel Bastro. Ein Gespräch über Fan-Sein, Fanzines, Vinylkosten und Unbezahlbares.

Vier Männer spielen auf einem Platz ein Konzert

Beständige Leidenschaft: Bernd Kroschewski (sitzend mit Trommel) mit Boy Division Foto: Stefan Pflug

taz: Herr Kroschewski, herzlichen Glückwunsch zu 30 Jahren Fidel Bastro! Wie hält man das so lange durch?

Bernd Kroschewski: Naja, man darf keine Illusionen haben. Und muss ein dickes Fell haben. Und einen Job, Großhandel für unter anderem technische Gewebe.

Auch den Bands auf Fidel Bastro geht es nicht ums Geldverdienen. So was geht nur ohne finanzielle Interessen, oder?

Ja, wenn man die Musik macht, die wir dann später rausbringen, weiß man von vornherein, dass es nicht reicht, um davon zu leben.

Sie machen Platten überhaupt nur, weil Sie die Musik toll finden. Was macht Musik denn toll?

Im Gegensatz zu vielen anderen Gleichaltrigen habe ich immer noch wirklich großes Interesse an Musik. Gerade erst saßen wir abends beim Trommler der Hamburger Indie-Rock-Band Sport und haben die neue Platte komplett eingetütet. Alles Handarbeit, das Vinyl ins Cover stecken, Poster rein, Aufkleber in Folie packen, Sticker drauf und so weiter. Das ist total DIY. Und das macht mir immer noch Spaß, trotz des hohen Alters. Und ich entdecke immer noch so viele tolle neue junge Bands, wo ich gleich weiß, da könnte man eine Platte machen. Aber Vinyl ist in der Herstellung so teuer. Das muss heute alles gut überlegt sein. So Gags wie früher wie in der Anfangsphase von Fidel Bastro können wir uns überhaupt nicht mehr leisten wegen dieser Preisentwicklung und auch das Käuferverhalten hat sich verändert.

Und wenn Sie Miese machen, müssen Sie Geld aus dem Brotjob zuschießen?

gründete das Label Fidel Bastro 1992 gemeinsam mit seinem Bruder Franco, Carsten Hellberg und Wolfgang Meinking. Er spielt in den beiden Bands Boy Division und Potato Fritz.

Ganz genau so läuft das. Aber ich sage immer, Briefmarkensammeln kostet auch Geld. Oder Münzen sammeln. Und das ist doch viel langweiliger, weil es da nicht scheppert und es auch keine schönen Konzerte gibt.

Sie sind zwar unabhängig von Trends, weil die Musik sich aus anderen Quellen speist, aus einer Hingabe, weil man Lust hat, mit Freun­d*in­nen zusammen Krach zu machen. Trotzdem wird es immer schwieriger.

Ja, eine Entwicklung, die uns und wahrscheinlich alle kleinen, ich sage wirklich immer noch Independent-Labels betrifft, ist der komplette Wegfall der Fanzine-Landschaft.

Es gibt nicht mehr viele dieser von Fans für Fans auf eigene Kosten selbst gemachten Magazine. Die spielten für Bands und Labels mal eine große Rolle.

Es gibt noch eine Handvoll Fanzines, die es irgendwie doch durchziehen. Aber früher hat man 20 Muster verschickt und hatte fünf bis zehn Besprechungen. Und irgendwelche Leute sind drauf aufmerksam geworden. Es gibt zwar viele Online-Fanzines, aber am Ende liest das eben auch fast niemand. Da gibt es so ein paar Blogs, die sind super und die haben auch Lust und Bock und Leidenschaft. Aber wie viele klicken das wirklich an? Da kriegt man nie eine ehrliche Antwort. Das ist verheerend.

Freunde von mir haben gerade ihre Platte überall hingeschickt und niemand hat drüber geschrieben.

Da vermisse ich dann auch die Hingabe. Wir haben vor Fidel Bastro ein Fanzine gemacht und da viele, viele Platten besprochen, hatten da Spaß dran, fanden das toll irgendwie, dass man so auch als Magazin ernst genommen wird. Und dann war der nächste Schritt, gemeinsam mit meinem Bruder Franco, Carsten Hellberg und Wolfgang Meinking das Label zu machen. Also der Wegfall dieser ganzen Fanzines trifft uns. Kleine Bands und Labels können keine Anzeigen kaufen in den großen Magazinen, das sprengt das Budget für die ganze Produktion. Ich als kleiner Mann denke: Okay, auf der ganzen Welt können die Leute unsere Platten günstig bestellen und das irgendwo anhören. Aber es klappt eben nicht. Früher war das alles sehr viel schwerfälliger und trotzdem hat das besser funktioniert.

Sie bedienen mit Noiserock eine Nische, die nie groß war. Fidel Bastro hat nie viel Platten verkauft und hatte immer ein sehr spezifisches Publikum. Die sind über die 30 Jahre treu geblieben.

Das stimmt, aber auch so eine totale Nische wird immer kleiner. Mit 30, 40 interessieren sich die Leute dann doch eher für ihren Job oder ihre Familie und kaufen sich vielleicht zwei, drei Platten im Jahr. Bei vielen Freunden hört zu Hause dann die Plattensammlung auf. Nur Nerds und Freaks wie ich machen noch weiter. Aber das wird weniger und junge Leute erreichen wir einfach nicht, weil wir eben nicht cool oder hip oder irgendwas sind.

Musik empfiehlt heute ein Algorithmus, früher waren das die Freund*innen. Welche Rolle spielt Freundschaft heute? Für die Fidel-Bastro-Geburtstagsgala kommt die Band Eniac wieder zusammen, weil die mit Ihnen befreundet sind und Sie sich das gewünscht haben.

Ich habe einfach erst den einen, dann den anderen angerufen, die haben die beiden anderen angerufen und dann haben sie angefangen zu proben. Wir kennen uns ja 1.000 Jahre, obwohl wir nie von ihnen etwas rausgebracht haben, aber wir haben oft zusammen gespielt und ich bin totaler Fan, war bei deren erster Release-Party von der ersten Platte schon da. Wenn man sich so lange kennt, dann ist es ein Anruf und dann flutscht das irgendwie. Von den Leuten, die jetzt an dieser Gala teilnehmen, hat nicht ein Künstler, nicht eine Künstlerin, keine Band mal nach Gage gefragt. Alle finden es einfach geil und haben Bock. Bei unseren Festivitäten wird das Geld nachher fair aufgeteilt, aber es fragt niemand. Es ist wumpe, das ist das Schöne daran. Darum weiß man ja auch, mit wem man das seit 1.000 Jahren macht.

Wie feiern Sie das Jubiläum morgen Abend auf der Gala?

Es wird einen herrlich kruden Mix von Bands und Künstlerinnen geben, eine Mixtur aus Postpunk und Hardcore und Singer/Songwriter- und derartigen Klängen. Und das auch vergleichsweise günstig. Wir haben lange über die Preise geredet. Wie teuer können wir es machen? Wir sind ja eigentlich Freunde von sehr günstigen Eintrittspreisen. Aber Leute in Hotels unterzubringen, die aus Berlin kommen, das kostet alles Kohle und ich kann da nicht auch immer noch draufzahlen. Jedenfalls wird das knorke. Die ersten Bands spielen alle 20 Minuten, dann 25 und meine heimlichen Headliner spielen dann 40 Minuten. Es gibt ja keinen Headliner, aber heimliche schon.

Fidel-Bastro-DJ-Set mit „Top oder Flop“ und Release-Party: Do, 1. 9., 21.30 Uhr, Komet

Gala mit High Quality Girls, Potato Fritz Spezial, Happy Grindcore, Huff Duff, Boy Division, Neopit Pilski, Blurred Twin, Fuild to Gas, Max Müller, Eniac und Kristof Schreuf: Samstag, 3. 9., 19.30 Uhr, HafenklangFidel-Bastro-Film und Boy Division-Konzert am Sonntag, 9. 9., 22 Uhr, Alabama-Kino

Wird es auch noch ein 40-jähriges Jubiläum geben?

Die Vinylpreise und dass die Industrie versucht, dass eine Schallplatte im Laden 50 Euro kostet: Das mache ich nicht mit und da geht es gerade hin. Das ist mir einfach zu blöd. Und ich finde auch den Trend Kassetten rauszubringen irgendwie seltsam. Das machen ja viele Hardcore- und neue Bands wieder. Ich weiß nicht, wie das weitergeht. Aber ich habe Lust, mit meinen Bands auch wieder Singles zu machen. Nur wenn man eine Single für zehn, zwölf Euro am Merchstand verkaufen muss, dann finde ich das schwierig. Wir denken immer an die Endverbraucher, die es bezahlen müssen und ich weiß nicht, wie lange das noch weitergeht. Ideen gibt es genug und Leidenschaft und Motivation auch. Aber die Marktstrukturen ändern sich. Die Produktion ist so kostenintensiv, was Energie betrifft, Gas und Kühlwasser und so weiter. Das wird astronomisch teuer, das wird ein Luxusgut. Und dann muss man das nicht mehr machen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.