EU-Außenministertreffen zu Russland: Visa-Abkommen ausgesetzt

Die EU-Außenminister setzen das Abkommen über Visa-Erleichterungen für Russland aus. Doch ein kompletter Bann für russische Touristen kommt nicht.

Männer hinter einer Glasscheibe am Flughafen bekommen einen russischen Pass zugeschoben

Streitpunkt Visa-Vergabe: Beamte der Bundespolizei kontrollieren in Berlin Reisende aus Russland Foto: Petr David Josek/ap

BRÜSSEL taz | Es sollte ein lockeres Wiedersehen nach der Sommerpause werden. Doch beim informellen Treffen der 27 EU-Außenminister in Prag sind die Positionen zu Russland und möglichen neuen Sanktionen hart aufeinandergeprallt.

Für Streit sorgte vor allem ein möglicher Visa-Bann für russische Touristen. Dabei kam es zu einer ungewohnten Lagerbildung zwischen mehreren östlichen EU-Staaten auf der einen und Deutschland und Frankreich auf der anderen Seite.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und die französische Chefdiplomatin Catherine Colonna sprachen sich gegen ein pauschales Einreiseverbot aus. Sie halte nichts von einer „Sippenhaft“, sagte Baerbock. Die EU dürfe regimekritische Russen nicht im Stich lassen.

Der Eindruck, dass reiche Russen zur Shoppingtour an die Côte d’Azur reisen, sei falsch, betonte Colonna. Die meisten Oligarchen seien bereits mit Sanktionen belegt und dürften nicht nach Frankreich oder in die EU reisen. Demgegenüber wollen Polen, Finnland und die drei baltischen Staaten eine harte Abschottung. In einem gemeinsamen Statement forderten sie die EU-Kommission auf, die Einreise russischer Staatsbürger radikal zu begrenzen.

Ideen für neue Sanktionen gehen aus

Das ist jedoch leichter gesagt als getan. Im Schengen-Raum gilt Freizügigkeit; wer in ein Land einreist, kann auch alle anderen besuchen. Deshalb helfen nationale Einreisestopps wenig, wie sie einige Länder bereits verhängt haben.

Zudem ist umstritten, ob ein totaler Visa-Bann mit dem EU-Recht vereinbar ist. Er würde Russen stigmatisieren und der russischen Propaganda in die Hände spielen, warnt Marie Dumoulin vom European Council on Foreign Relations in Berlin.

Bedenken hat auch der EU-Außenvertreter Josep Borrell. Es sei „keine gute Idee“, Russen unterschiedslos die Einreise zu verwehren, sagte der Spanier. Man müsse „selektiver“ vorgehen und auch an die 300.000 Russen denken, die aus Russland geflohen sind.

Am Ende der kontroversen Debatte einigten sich die Außenminister in Prag auf einen Kompromiss. Die EU werde das derzeit noch gültige Abkommen mit Russland über Visa-Erleichterungen aufkündigen, sagte Borrell. Damit werde ein „Visa-Shopping“ verhindert und die Einreise in die EU „erheblich reduziert“.

Für diese vergleichsweise weiche Linie hatte sich zuvor auch Baerbock eingesetzt. Die deutsche Grünen-Politikerin rang gemeinsam mit Borrell und dem tschechischen EU-Vorsitz um eine für alle annehmbare Formulierung. In den Gesprächen mit den Hardlinern sei es emotional geworden, sagte ein EU-Diplomat, der dem Treffen beiwohnte.

Das liegt auch daran, dass der EU die Ideen für neue Sanktionen gegen Russland ausgehen. Nach sechs „harten“ Sanktionspaketen, die auf die russische Wirtschaft abzielen, hatte sich die EU zuletzt nur noch auf eher symbolische Maßnahmen einigen können.

Gleichzeitig geht der russische Angriffskrieg in der Ukraine unvermindert weiter; die Sanktionen haben keinen erkennbaren Einfluss auf das Kriegsgeschehen. In Prag gab es deshalb auch Diskussionen über die weitere Strategie. Deutschland und Frankreich plädierten dabei für eine Neuausrichtung der EU-Politik.

An den Sanktionen wollen Berlin und Paris jedoch festhalten. Man müsse den Sinn der Strafen jedoch besser vermitteln und dafür auch Mittel der „strategischen Kommunikation“ – sprich: Propaganda – nutzen, hieß es.

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