Schweizer Endlager an deutscher Grenze: Atomklo düpiert Berlin

Nur knapp 100 Kilometer von Freiburg entfernt will die Schweiz ein atomares Endlager errichten. Das sorgt für Kritik bei vielen Nachbarn.

Eine Schweizer Fahne weht in grüner Landschaft mit Pferden

Standort für das geplante Endlager: Haberstal ganz nah bei Deutschland Foto: Michael Buholzer/Keystone/dpa

KARLSRUHE taz | 50 Jahre hat die Schweiz nach einem Atomendlager gesucht, jetzt soll der hochradioaktive Müll nahe der deutschen Grenze seine letzte Ruhe finden. Knapp 100 Kilometer von Freiburg entfernt liegt nach Auffassung von Schweizer Geologen die sicherste Gesteinsformation für den Atommüll des Landes, teilte am Wochenende die zuständige Behörde mit. Das Endlager soll Platz bieten für schätzungsweise 83.000 Kubikmeter schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfälle aus Schweizer Reaktoren sowie der Industrie.

Die Schweiz ist relativ schnell mit ihrer Endlagersuche. In Deutschland soll erst 2031 ein Standort für ein Endlager benannt werden, in Finnland steht der erste Endlagerstandort weltweit bereits fest. Auch wenn das Votum der Eidgenossen für ein Endlager so nah der deutschen Grenze nicht überraschend kommt – denn alle vier in engerer Auswahl stehenden Standorte liegen an der Grenze –, war die deutsche Politik offenbar nicht vorbereitet.

Das Bundesumweltministerium kündigte eine „genaue Untersuchung des Schweizer Vorschlags“ an. Eine Expertengruppe soll eine Einschätzung zur Nachvollziehbarkeit des Vorschlags erstellen und ihn bewerten. Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) sagte, sie erwarte eine grenzüberschreitende Beteiligung an dem Verfahren und auch an den Entschädigungen der betroffenen Gemeinden auf beiden Seiten.

Im Örtchen Hohentengen, nur wenige hundert Meter von der Grenze und dem geplanten Endlager entfernt, sind Skepsis und Überraschung groß. Man sorge sich um das Grundwasser, sagte Martin Benz, Bürgermeister der 4.000-Einwohner-Gemeinde, dem SWR. Er wolle zunächst alle Fragen zur Sicherheit und möglichen Störfällen vorab beantwortet haben. Das ausgewählte Gelände „Nördlich Lägern“ mit seinem Schiefertonboden war im Sondierungsprozess 2015 bei der Endlagersuche zunächst als weniger geeignet aussortiert worden.

Zuerst zurückgestellt, nun präferiert

Zwei Jahre später wurde es doch in die engere Auswahl genommen. Jetzt soll es laut der für die Endlagersuche zuständigen Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) der geeignetste von vier verbliebenen Standorten sein. Benz sagt: „Sie müssen sehr gut begründen, warum ein zurückgestellter Standort plötzlich zum präferierten Standort wird.“

Es gibt auch andere Stimmen: „Es ist auch in unserem Interesse, dass die Schweizer Abfälle sicher gelagert werden“, erklärt Martin Steinebrunner von der Deutschen Koordinationsstelle Schweizer Tiefenlager (DKST). Wenn der sicherste Ort ein paar Kilometer von der Grenze entfernt liege, nehme man das hin. „Es ist ein Zugewinn an Sicherheit, wenn alles eingelagert ist“, sagt Steinebrunner mit Blick auf die Castoren, die derzeit oberirdisch gelagert werden.

Glaubt man den Schweizern, haben allein die Geologen entschieden, welcher Standort der geeignetste ist. Die Bodenformation und die Erdbebensicherheit hätten den Ausschlag gegeben. Da es in der Schweiz keine Salzstöcke gibt, die als geeignetste Formation gelten, müsse ein Standort sogenannten Opalinuston aufweisen, einen Tonstein, der den strahlenden Müll bestmöglich abschirmt.

Diese Formation gibt es nach Angaben der Nagra nur im Grenzgebiet zu Deutschland. Die Nagra will nun bis 2024 ein Baugesuch einreichen, über das Regierung und Parlament entscheiden. Danach könnte es eine Volksabstimmung geben. Nach derzeitigem Stand sollen die Arbeiten 2031 beginnen. Die Einlagerung begänne dann etwa ab 2050. Das Lager würde über Jahrzehnte beobachtet und etwa 2125 endgültig versiegelt.

Derzeit wird der Atommüll vor allem in der rund 15 Kilometer von der Grenze zu Deutschland entfernten Gemeinde Würenlingen zwischengelagert. Dort könnte auch der Industriekomplex entstehen, in dem der Müll für die Endlagerung vorbereitet wird.

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