Neues Dialogformat in Frankreich: Ein bisschen Mitsprache

Frankreichs Präsident Macron ruft zum Nationalen Dialog auf. Die Opposition glaubt nicht an das Angebot der Mitgestaltung – und lehnt dankend ab.

Emmanuel Macron

Verspricht eine „neue Methode“ des Dialogs: Frankreichs Präsident Macron am Donnerstag Foto: Michel Euler/ap

PARIS taz | Der französische Staatspräsident will den Franzosen und Französinnen (ein bisschen) Mitsprache bei der Umsetzung seiner Reformen gewähren. Das zumindest verkündete er am Donnerstag beim ersten Treffen des Conseil national de la Refondation (CNR), was in etwa als Nationaler Rat für einen Neubeginn übersetzt werden kann.

Er verspricht dabei, mit dieser „neuen Methode“ eines Dialogs mit Parteien, den Verbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, regionalen und kommunalen Institutionen sowie diversen Vereinigungen der Kritik an seiner bisher sehr „vertikalen“ Form der Machtausübung Rechnung zu tragen. Auch eine bisher nicht bekannte Gruppe von zufällig ausgewählten Bür­ge­r*in­nen ist eingeladen, an den Diskussionen teilzunehmen. Macron stellt zudem zur von ihm gewünschten Erneuerung der Demokratie „Onlinebefragungen“ und „Referendums-Volksabstimmungen“ in Aussicht.

Bezüglich der Themen und des Funktionierens des CNR soll noch alles offen sein, aber im Zentrum stehen Macrons Schwerpunkte: das Ziel der Vollbeschäftigung, der Klimawandel, die Schulen und das Gesundheitswesen sowie das Leben der Betagten.

Das erscheint vage. Trotz der eigentlich verlockenden Aussicht, dem Staatschef in diesen wichtigen Bereichen hereinreden und widersprechen oder gar den Gang der Dinge ändern zu können, haben daher praktisch alle Oppositionsparteien von links bis rechts, aber auch ein Großteil der Gewerkschaften die Einladung dankend abgelehnt.

Macron braucht die Unterstützung der Opposition

Aufgrund der Erfahrung in seiner ersten Amtszeit stellen sie seine Aufrichtigkeit infrage. Wie zahlreiche Sprecher der Oppositionsparteien befürchtet auch der Vorsitzende des Senats, der Konservative Gérard Larcher, dass Macron mit diesem zusätzlichen Gremium die beiden Parlamentskammern aushebeln wolle.

Seit der Wahl der Abgeordneten im Juni hat die Koalition des Staatschefs keine absolute Mehrheit mehr in der Nationalversammlung und muss für jede Abstimmung Kompromisse machen. Darum denken Konservative, extreme Rechte und die vereinigte Linke, dass sich der politisch geschwächte Macron nur aus schierer Not an sie wendet.

Denn um seine Reformen der Renten- und der Arbeitslosenversicherung durchzusetzen, braucht Macron Unterstützung aus den Reihen seiner politischen Gegner. Das Problem für ihn ist es, dass diese es ihm nicht abnehmen, dass er gewillt sei, die Macht auch nur ein klein wenig zu teilen.

Wieso also sollen sie sich von einem Präsidenten, der offenbar in der Sackgasse steckt, aber letztlich doch alles selber entscheiden will, über den Tisch ziehen lassen? Das erklärt den fast einstimmigen Boykott der Opposition. Verärgert rief ihnen Macron in seiner Eröffnungsrede in Marcoussis das Sprichwort zu: „Die Abwesenden haben immer Unrecht.“ Und er dramatisiert die Situation mit einer kriegerischen Rhetorik, indem er wegen der gleichnamigen Abkürzung CNR sein Gremium mit dem Nationalen Widerstandsrat während des Zweiten Weltkriegs verglich.

Ende August hatte er in pessimistischen Tönen vom „Ende der Sorglosigkeit“ gesprochen und die Nation angesichts des Kriegs in der Ukraine, der Energiekrise und der nötigen Anpassungen wegen des Klimawandels zu Einheit und „Seelenstärke“ aufgerufen.

Weil es ihm damit aber nicht gelungen ist, seine Gegner zu einem Burgfrieden zu gewinnen, könnte sich seine Initiative für einen „Neubeginn“ mit dem CNR als „nasser Knallfrosch“ herausstellen, meinte der Politologe Loïc Blondiaux in der Le Monde.

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