Mögliche ukrainische Geländegewinne: Nur nicht müde werden

Um mangelnde Unterstützung der Ukrai­ne­r*in­nen muss sich die Regierung in Kiew bisher keine Sorgen machen. Wohl aber um die der westlichen Staaten.

Ein ukrainischer Soldat mit einer Wassermelone in der Hand.

Ukrainischer Soldat im Donbass: Die baldige Einnahme der Region entspringt wohl eher Wunschdenken Foto: Kostiantyn Liberov/ap/dpa

In Zeiten bewaffneter Konflikte gibt es häufig nur wenig belastbare Fakten. Da macht auch der russisch-ukrainische Krieg keine Ausnahme. Kaum eine Nachricht von den Fronten, die nicht mit dem Zusatz versehen wäre, eine unabhängige Überprüfung sei leider nicht möglich.

Jetzt machen vor allem in ukrainischen Medien Meldungen die Runde, die ukrainische Armee habe im Süden und im Osten drei Dörfer zurückerobert. Sollte sich das bewahrheiten – dafür spricht einiges, da die Information teilweise auch von russischer Seite bestätigt wird –, bedeutete das zwar noch keine Wende in diesem Krieg. Es wäre aber ein Indiz dafür, dass die ukrainische Gegenoffensive „Erfolge“ zu verzeichnen hat.

Dass es bei den russischen Truppen nicht „rund läuft“ legt der Umstand nahe, dass die Vorbereitungen für ein Referendum in Cherson nach dem Vorbild der Krim erst einmal auf Eis gelegt sind. Auch die vom Kreml ausgegebene Deadline, den Donbass bis zum 15. September komplett einzunehmen, entspringt wohl eher Wunschdenken und ist wohl ein Placebo für die eigene Bevölkerung, denn eine realistische Einschätzung der Lage. Wie sehr der Druck im Kessel auch in Russland selbst wächst, ist unübersehbar. Denn kein Tag vergeht, ohne dass vermeintliche „Verräter*innen“ abgestraft werden.

Um mangelnde Unterstützung der Ukrai­ne­r*in­nen muss sich die Regierung in Kiew bislang keine Sorgen machen, wohl aber um die der westlichen Staaten. Angesichts der Energiekrise, die viele Menschen in berechtigte Existenzängste stürzt, scheint die Kriegsmüdigkeit einer aggressiven Rhetorik „Wir zuerst!“ zu weichen, die sich auch Po­li­ti­ke­r*in­nen zu eigen machen. In Tschechien gehen Zehntausende gegen die Ukrainepolitik der Regierung auf die Straße, der italienische Rechtspopulist Matteo Salvini stellt die EU-Sanktionen gegen Moskau in Frage.

Letztendlich könnte das darauf hinauslaufen, dass auch Waffenlieferungen an die Ukraine reduziert werden oder ganz ausbleiben. Und dann könnte sich das Blatt in diesem Krieg doch noch wenden.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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