Energieverbrauch von Kryptowährungen: Kann Blockchain auch öko?

Bitcoin ist ein Stromfresser. Doch es gibt energiesparendere Technologien. Ethereum, die zweitwichtigste Blockchain, wagt den Umstieg.

Rechner, die in bunten Farben angestrahlt sind

In Argentinien sind Krypto­währungen sehr beliebt, hier eine Mining Farm für Ethereum in La Plata Foto: Sarah Pabst/TNYT/Redux/laif)

1 Warum ist Bitcoin so ein Stromfresser?

Kryptowährungen basieren in der Regel auf Blockchains. Blockchains machen Folgendes: Sie verketten Blöcke von Daten so, dass diese sich nachträglich nicht mehr verändern lassen. Im Fall von Kryptowährungen heißt das: Die Transaktionen sind manipulationssicher festgehalten. Bei staatlichen Währungen übernehmen zentrale Instanzen, also Banken, die Aufgabe der Manipulationssicherheit. Bei den dezentral angelegten Kryptowährungen gibt es diese Instanz aber bewusst nicht. Also muss die Manipulationssicherheit woanders herkommen. Bei Bitcoin und bislang auch bei der zweitgrößten Kryptowährung Ether mit ihrer Blockchain Ethereum müssen Computer dafür komplizierte Rechenrätsel lösen. Das verursacht einen extrem hohen Rechenaufwand – der gleichzeitig den Energiebedarf in die Höhe treibt. Proof of Work heißt dieser Konsensmechanismus.

2 Wie hoch ist der Verbrauch?

Der Bitcoin Electricity Consumption Index des Cambridge Center für Alternative Finanzen schätzt den aktuellen Jahresverbrauch des Bitcoin-Netzwerks auf rund 94 Terawattstunden – mit einer prognostischen Spannbreite von 43 bis 166 Terawattstunden. Zum Vergleich: Schweden lag im vergangenen Jahr bei einem Verbrauch von rund 130 Terawattstunden. Bei Ethereum bewegen sich die Schätzungen zwischen knapp 22 und knapp 80 Terawattstunden pro Jahr. Die Unschärfe in den Verbrauchsprognosen liegt unter anderem daran, dass weltweit ganz unterschiedliche Rechner an den Prozessen beteiligt sind und der Stromverbrauch nicht zentral erfasst wird.

Zudem haben zahlreiche Faktoren Auswirkungen auf die Entwicklung des Energieverbrauchs, unter anderem der Strompreis. Denn ein hoher Strompreis drückt die Rentabilität des Minings, also des Erzeugens von neuen Kettenblocks, bei dem die Rechenrätsel gelöst und etwa Bitcoins generiert werden. Und das Rechenrätsel-Konzept hat einen weiteren umweltschädlichen Effekt: Die dafür eingesetzten Rechner benötigen hochspezialisierte Hardware, die regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht werden muss.

3 Haben alle Blockchains das Stromproblem?

Nein. Neuere Blockchain-Generationen nutzen andere Wege des Manipulationsschutzes – ohne den exorbitanten Stromverbrauch. Eine der populäreren Alternativen ist der Konsensmechanismus Proof of Stake. Er arbeitet nicht mit komplizierten Rechenoperationen. Stattdessen sind ein Zufallsalgorithmus und der Anteil an der jeweiligen Kryptowährung die zentralen Parameter für den Manipulationsschutz. Stark vereinfacht dargestellt, gibt es dann eine Art Lotterie: Der Zufallsalgorithmus bestimmt, wer den nächsten Block der Blockchain erzeugen darf. Wer mehr Anteile hält, hat dementsprechend eine höhere Wahrscheinlichkeit, ausgewählt zu werden. Darum herum sind noch bestimmte Mechanismen eingebaut, die die Verlässlichkeit sicherstellen sollen. Sendet jemand beispielsweise ein falsches Ergebnis, wird sein Anteil gekürzt – bei der nächsten Lotterie-Runde sinkt damit die Wahrscheinlichkeit, dass das Los ihn auswählt.

4 Warum nutzt Bitcoin nicht einfach dieses stromsparende Verfahren?

Bislang ist unklar, ob eine Umstellung überhaupt möglich ist. Die Greenpeace-Kampagne „Change the code not the climate“ (Den Code ändern, nicht das Klima) suggeriert das zwar. Aber es ist mindestens ziemlich kompliziert. Die Bundesnetzagentur schreibt dazu in einem Report: „Änderungen an der Blockchain-Architektur (…) sind bei öffentlichen Blockchains nur mit hohem Aufwand umzusetzen (…)“ Doch Ethereum steht nun vor dem Praxistest: Sie ist dabei, von stromintensiv auf stromsparend umzusteigen.

5 Was passiert bei Ethereum?

Mit ihrer Kryptowährung Ether ist die Blockchain Ethereum in Sachen Marktkapitalisierung die Nummer zwei hinter Bitcoin. Doch während es bei Bitcoin vor allem um die Kryptowährung geht, hat sich die Ethereum-Blockchain bei Smart Contracts einen Namen gemacht. Das sind Verträge, die automatisiert abgeschlossen werden. So könnte beispielsweise eine Industrieanlage ein notwendiges Ersatzteil nachbestellen oder ein Elektroauto Strom der benachbarten Solaranlage einkaufen.

Diese Transaktionen müssen manipulationssicher festgehalten werden, schon damit die Be­sit­ze­r:in­nen sie später nachvollziehen können. Momentan geht es aber noch um profanere Transaktionen, etwa um digitale Inhalte wie Bilder oder Videos, die gehandelt werden. Ethereum ist nun dabei, von Proof of Work (stromintensiv) auf Proof of Stake (stromsparend) umzustellen. In der vergangenen Woche startete die Umstellung mit dem ersten Update. Den Abschluss erwarten die Ent­wick­le­r:in­nen aktuell etwa am 15. September.

6 Wie viel Strom wird dann gespart werden?

Alex de Vries, Wissenschaftler an der Vrije Universiteit Amsterdam und Betreiber des Portals Digi­conomist, hält die aktuell zirkulierenden Schätzungen in Sachen Strom­einsparung für plausibel: Demnach wird der Stromverbrauch in der Größenordnung von 99 Prozent zurückgehen, wenn die Umstellung klappt.

7 Ließe sich dann auch Bitcoin umstellen?

„Technisch ginge das absolut“, sagt de Vries. Dennoch rechnet er nicht damit, dass auch Bitcoin auf stromsparend wechselt. Denn: „Bei Ethereum gab es von Anfang an den Plan, auf Proof of Stake umzustellen – aber bei Bitcoin will das die Mehrheit der Community nicht.“ Die braucht es aber. Denn ohne zentrale Instanz, die eine entsprechende Änderung durchsetzen könnte, kommt es darauf an, wie sich die Mehrheit der Community verhält. „Und die hat in der Vergangenheit schon sinnvolle Veränderungen abgelehnt, etwa als es darum ging, die Zahl der möglichen Transaktionen pro Sekunde zu erhöhen.“

Auch Lennart Ante, Mitgründer des Blockchain Research Lab, ist skeptisch: „Eine der Grundideen von Bitcoin ist, dass jeder jederzeit an diesem Netzwerk teilnehmen kann.“ Mit Proof of Stake brauche es aber erst mal Anteile – die Zugänglichkeit sinke damit. Und es gebe einen weiteren Nachteil: Weil Proof of Stake für die Beteiligten Anreize setzt, viele Anteile zu halten, tendiere es mit der Zeit zur Zentralisierung – ein Widerspruch zum Konzept von dezentralen Kryptowährungen. Wie sich das bei Ethereum in der Praxis auswirkt, wird sich allerdings erst mit der Zeit zeigen.

8 Was kann noch schiefgehen bei der Umstellung?

Einiges. „Wird das System weiterhin stabil laufen? Wird es überhaupt laufen? Wird es einen Split geben? Das werden wir erst hinterher wissen“, sagt de Vries. Ein Split, das könnte etwa sein, dass ein Teil der Ethereum-Community den Wechsel zum Proof of Stake nicht mittragen will – und weiterhin mit dem strom­intensiven Rechenrätsel-Verfahren arbeitet. In der Vergangenheit hat es solche Splits schon gegeben, etwa als sich von Bitcoin die Subwährung Bitcoin Cash abspaltete. Zwei Tage nach dem ersten Umstellungs-Update hatten sich immerhin bereits über 80 Prozent der Teil­neh­me­r:in­nen dem neuen Mechanismus angeschlossen. Auch sonst wurden bislang keine Probleme bekannt: Das erste Update klappte und die Umstellung scheint etwas schneller voranzu­gehen als ursprünglich vermutet.

9 Was unternimmt die Politik in Sachen Kryptowährungen und Emissionen?

Dokumente, die Netzpolitik.org im April veröffentlichte, zeigen, dass die Problematik innerhalb der EU diskutiert wird. Zur Debatte steht auch ein Verbot von Kryptowährungen, die die stromintensive Methode nutzen. Konsequenterweise würde allerdings ein Verbot des Mining nicht ausreichen. Das findet aufgrund ­vergleichsweise hoher Strompreise ohnehin nur zu ­einem geringen Teil in Europa statt. Ein Handelsverbot wäre allerdings gleich ein ziemlich starker Eingriff in den Markt und ist daher umstritten. Was es bislang ebenfalls nicht gibt: Regeln, die für neu aufgesetzte Blockchains stromsparende Mechanismen vorschreiben.

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