Transfeindlichkeit: Wir geben dem Hass Raum

Am Freitag starb ein trans Mann nach einem Angriff beim CSD in Münster. Selten ist Queerfeindlichkeit so sichtbar, doch sie ist Alltag in Deutschland.

Eine trans-Fahne mit Trauersteinen in Münster

Trauer und Gedenken nach dem Angriff auf einen trans Mann beim CSD Münster Foto: David Inderlied/dpa

Noch immer leben queere Menschen in Deutschland gefährlich. Erst vergangenen Samstag sorgte ein Angriff auf den 25-jährigen trans Mann Malte C. am Rande des CSD-Städtefests in Münster für Aufmerksamkeit. Er wurde so schwer verletzt, dass er am Freitag im Krankenhaus starb. Malte C. war laut Zeug_innen dazwischengegangen, als ein Mann feindlich auf Teilnehmende des CSD zuging und „lesbische Hure“ sowie „verpisst euch“ rief. Daraufhin wurde er angegriffen.

Malte C. musste also sterben, weil Außenstehende ein ­Problem damit haben, queere Existenz zu tolerieren – mehr noch, sie bekämpfen diese aktiv. Man muss es so klar sagen, denn Queerfeindlichkeit wird zu oft heruntergespielt. Viel zu oft will man sich in der Gesellschaft auf einer scheinbar selbstverständlichen Akzeptanz von LGBTIQ+ ausruhen: In fast jeder Stadt in Deutschland gibt es den CSD, sogar die Regenbogenflagge wird auf dem Reichstagsgebäude gehisst. Alles super, oder?

Doch der Angriff in Münster ist kein Einzelfall. Queerfeindlichkeit ist trauriger Alltag. Jeden Tag gibt es laut Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) durchschnittlich drei Fälle von Hasskriminalität gegenüber LGBTIQ+-Personen. Der Nährboden dafür ist eine Kultur der vermeintlichen „Meinungsverschiedenheiten“, in der Terfs in Talkshows und auf Social Media auf angeblich besorgte Wissenschaftler_innen verweisen, die wiederum wie nebenbei trans Personen die Existenz absprechen. Der Journalist Christian Knuth schreibt: „Seit Wochen schüren Medien wie Bild und Netzwerke wie das um Marie-Luise Vollbrecht Hass auf trans Menschen. Hass führt zu Gewalt.“

Der LSVD forderte schon im April Innenministerin Nancy Faeser (SPD) dazu auf, „LSBTI-feindliche Hasskriminalität auf die innenpolitische Agenda zu setzen“. Diese Woche hat der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), einen Plan gegen Queerfeindlichkeit vorgestellt. Dieser wird nun mit Verbänden und Ministerien abgestimmt. Spätestens Ende des Jahres soll daraus ein Aktionsplan entstehen, Maßnahmen sollen priorisiert und umgesetzt werden. Lehmann will mit dem Aktionsplan „Queerfeindlichkeit entschieden entgegenwirken“. Dazu gehört, dass, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, der Gleichbehandlungsartikel im Grundgesetz um das Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität erweitert wird. Ein weiterer Punkt des Aktionsplans soll die Förderung von Projekten gegen Sexismus und Queerfeindlichkeit in Schulen und im Sport sein.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will queerfeindliche Taten durch eine Novelle des Strafrechtsparagrafen 46 stärker sanktionieren: Bislang konnten durch den Paragrafen rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Beweggründe strafverschärfend bewertet werden – nun soll er ergänzt werden um „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Tatmotive.

Bundesweit ist es seit 2020 möglich, queerfeindliche Übergriffe unter der Kategorie „Geschlecht/sexuelle Identität“ in der Statistik zur Hasskriminalität zu erfassen. Die meisten queerfeindlichen Delikte werden in Berlin gemeldet. Vergangenes Jahr wurden laut Informationen des Tagesspiegel in Berlin 645 Verfahren zu „Hassverbrechen mit Bezug auf die sexuelle Identität oder die sexuelle Orientierung der Geschädigten“ geführt, es kam zu 64 Verurteilungen. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen waren es 90 Verfahren und 14 Verurteilungen. Das Dunkelfeld ist riesig. Und dass gerade in Berlin so viel mehr gemeldet wird als anderswo, liegt auch daran, dass dort strukturierter gegen Queerfeindlichkeit vorgegangen wird als in anderen Bundesländern: Bei der Berliner Polizei gibt es LGBTIQ+-Ansprechpersonen und Schulungen für Polizist_innen.

Ein gesamtgesellschaftliches Problem

Es ist allerdings nicht damit getan, dass queerfeindliche Straftaten besser kategorisiert und stärker bestraft werden. Es sollte gar nicht erst zu Angriffen kommen. Natürlich ist es wichtig, dass queerfeindliche Angriffe wie der auf Malte C. erfasst werden – dass staatliche Institutionen wie die Polizei wissen, wie sie reagieren müssen. Die Verantwortung tragen jedoch wir alle als Teil dieser Gesellschaft. Queerfeindlichkeit findet nicht im luftleeren Raum statt.

Nächste Woche erscheint ein neues Buch der Bestsellerautorin J.K. Rowling, in dem es um eine Cartoonistin geht, der Rassismus und Transfeindlichkeit vorgeworfen wird – bis sie letztendlich ermordet wird. Dieser angebliche Diskurs der „Woken“, die, so das Narrativ, die Meinungsfreiheit mit jeglichen Mitteln untergraben wollen, wurde von Rechten so oft reproduziert, dass er anschlussfähig wurde in der Gesellschaft – und als ernstzunehmender Debattenbeitrag in den Medien oder der Buchhandlung präsentiert wird. Dabei sind es nicht Terfs (trans-ausschließende radikale Feministinnen), die um ihr Leben fürchten müssen.

Der Angriff auf Malte C. am Rande des CSD in Münster ist erst eine Woche her, nun melden Neonazis für diesen Samstag eine Gegendemo zum CSD in Gotha an. Ein bekannter Neonazi warb laut queer.de auf Social Media für die Veranstaltung und sprach von „Multikulti-, Homosexuellen-, und Genderpropaganda“, die „Gift für die Gesellschaft“ sei. Es ist mit Gewalt zu rechnen.

Nur in einer Gesellschaft, in der es nicht möglich ist, trans­identitären Menschen ihre Existenz abzusprechen, in der es nicht möglich ist, gegen Veranstaltung zu demonstrieren, die queere Sichtbarkeit feiern und in der es unvorstellbar wird, sich eine schwarze Sonne tätowieren zu lassen, nur in einer solchen Gesellschaft sind Angriffe bei CSDs keine traurige Alltäglichkeit mehr.

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