Schule startet in Berlin: „Den Personalbedarf reduzieren“

Schulen müssen angesichts des Personalmangels beim Fachunterricht kürzen dürfen – und sollten das als Chance sehen, sagt SPD-Politiker Marcel Hopp.

Wie viel Mathe muss eigentlich sein? Foto: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

taz: Herr Hopp, das neue Schuljahr hat am Montag begonnen, in Berlin sind rekordhafte 600 Vollzeitstellen nicht besetzt. Sie fordern deshalb, beim Stundenplan zu kürzen. Aber darf weniger Mathe und Deutsch tatsächlich die Lösung sein?

Marcel Hopp: Unser Vorschlag ist komplexer. Der Ausgangspunkt bei der Diskussion war ja: Wir haben einen großen Personalmangel, bei dem klar ist: Es wird zu Kürzungen kommen. Die Frage ist nur wo. Vor einigen Monaten stand hier eine drohenden Kürzung bei der Inklusion und bei den Profilstunden der Schulen im Raum. Die gilt es unbedingt zu vermeiden.

Also zum Beispiel beim Förder- und Projektunterricht.

Genau. Den möchten wir als SPD aber schon aus politischer Überzeugung schützen. Die pauschale Kürzung bei Schwerpunkten, die die Schulen selbst setzen können, wäre ein Angriff auf die eigenständige Schule.

Marcel Hopp ist bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

Aber nochmal die Frage: Auch angesichts der immer wieder bescheidenen Ergebnisse von Berliner Schü­le­r*in­nen in Vergleichsarbeiten – kann man es sich leisten, beim Fachunterricht zu kürzen?

Unser Vorschlag sieht ja nicht nur eine behutsame Reduzierung der Stundentafel vor, sondern auch eine Erhöhung der Profilstunden für die Schulen, die sie nach Bedarf einsetzen können. Das kann man auch als Chance sehen, ohne dass ich da jetzt etwas schönreden will. Ich glaube übrigens auch nicht, dass eine Kürzung des Fachunterrichts zum Nachteil der Kinder ist, im Gegenteil: Die Fach- und Leistungsbelastung von Schü­le­r*in­nen insbesondere in der Oberschule ist sehr groß. Dabei hat ja gerade auch die Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig die psychosoziale Gesundheit ist, damit Kinder gut lernen können. Es geht also um Lernen außerhalb des Notendrucks, letztlich auch um eine Stärkung der Idee Ganztags-Schule – und genau auch dafür sind die Profil- und Förderstunden da.

Machen Sie die Chance doch mal konkret: Wo gewinnen die Schulen etwas, wenn sie an welcher Stelle genau kürzen?

Wir machen mit unserem Konzept keine genauen Fächervorschläge, was weg kann und was nicht. Die Idee ist vielmehr, dass die Schulen ein Wochenstundenkontingent zur Verfügung haben: Wo jetzt 32 Stunden in der Sekundarstufe I Pflicht sind, könnten es künftig 30 bis 32 Stunden sein. Systematisch betrachtet würde so der Personalbedarf reduziert werden. Die Schulen wären dann flexibler bei der Entscheidung, wo sie ihre Personalressourcen einsetzen.

Aber wenn eine Schule dann bei Mathe kürzt und die andere bei Naturwissenschaften, wie stellt man die Vergleichbarkeit der Leistungen sicher?

Wo die Schulen kürzen dürfen, bei welchen Fächern und in welchem Umfang, das muss einheitlich sein – das stimmt. Das wäre Aufgabe der Bildungsverwaltung, da entsprechende Vorgaben zu entwickeln.

Wie hoch wäre denn das Einsparpotenzial an Stellen bei Ihrer Kontingent-Idee?

Bis zu einer Vollzeitstelle wäre aus meiner Sicht pro Schule möglich. Das rechnet sich natürlich bei über 800 allgemeinbildenden Schulen in Berlin

Nach der Sommerpause soll sich nun auch der Runde Tisch Lehrkräfteversorgung zusammenfinden, den die Bildungsverwaltung als Reaktion auf den Fachkräftemangel einberufen hat. Was erhoffen Sie sich von dieser Runde?

Mein Plädyoer ist, man sollte nicht zu lange warten mit der Entscheidung über die Stundentafel. Wir haben bereits sehr positive Signale von Schulleiterverbänden und auch vom Landeselternschuss auf unsere Idee bekommen, die ja aus der Landesarbeitsgemeinschaft Bildung der SPD kommt. Zum Halbjahr, spätestens zum nächsten Schuljahr muss etwas passieren.

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