Urlaub in Deutschland: Home, Schiet-Home!

Kleine Kathedralen, schlechtes Essen, überteuerte Strandkörbe: Urlaub in Deutschland kann eine einzige Enttäuschung sein.

Der Aachener Dom vor blauem Himmel.

Der Aachener Dom – eine Reise wert? Naja Foto: dpa / Marius Becker

„Mensch, ihr seid ja schön braun!“, „Wart ihr wieder auf den Griechischen Inseln?“, fragt ein Paar das andere im Café über leere Tische hinweg.

„Nö“, sagt der Mann, „wir haben Urlaub in Deutschland gemacht!“

„Dank des Klimawandels kann man sich hier ja nun auch schön braten!“, sagt seine Frau.

„Also, unsereins fuhr nur durch Deutschland durch!“

„Da macht nächstes Mal ruhig Stop!“

„Haben wir, aber tutti ’ne Enttäuschung!“

Seine Frau sagt: „Aber wir hatten ohnehin keine großen Erwartungen!“

„Doch, Laura, an den Aachener Dom zum Beispiel!“

„Stimmt, da sind wir wegen der Historie ­extra hin, weil da angeblich Karl der Große drin liegt und dann …“

„War das so ein klitzekleines Ding!“

„Da ist ja unser Haus größer!“

„So groß kann Karl der Große nicht gewesen sein!“

„Aber was guckt ihr euch auch Aachen an? Da gibt es spannendere Städte!“

„In Köln sind wir auch ausgestiegen, ebenfalls ’ne glatte sechs!“

„Der Dom da, nix als ein dunkles, dickes Ding mit negativer Ausstrahlung!“

„Ewig mussten wir googeln, um rauszufinden, ob man da irgendwo nett essen kann!“

„Und dann war der Laden da natürlich voll mit Touristen und wir hatten zu guter Letzt Burger bei Peter Pane, also dabei kann ich auch zu Hause auf die Hoheluftchaussee starren!“

„Aber was wollt ihr auch bei der Hitze in ’ner Stadt, ihr müsst an die Küste!“

„Pah, da kost’ ja jedes Sandkorn, auf das du trittst, 100 Euro Gebühr, jeder Strandkorb wird alle fünf Minuten abkassiert, Wucher by Nature ist das! Und dann die Einheimischen, da fühlt man sich pauschal unerwünscht, da ist man dann fremd im eigenen Land, so was hab ich auf Rhodos nie erlebt!“

„Da wird man wenigstens auch behandelt wie ein zahlender Gast!“

„Selbst wenn man viel weniger zahlt!“

„Und in Deutschland musste ja erst mal die Quallen aus dem Meer sammeln, in Griechenland macht das das Personal!“

„In Deutschland muss man Pizza ins Appartement bestellen, falls man nach 21 Uhr nochmal Hunger vom ewigen Latschen durch öde Dünen oder über schnöde Deiche hat!“

„In Italien trifft man sich frühestens um 22 Uhr im Ristorante, die wissen zu leben!“

„Mensch, jetzt beruhigt euch, ihr kennt doch gar nicht alles, was ist mit Rügen?“

„Ich mach doch keinen Urlaub mit ’nem Nazi auf dem Handtuch nebenan!“

„Kennt ihr Sylt?“

„Sylt, nö, da trifft man dann den Lindner oder andere rattige Reiche, fast noch schlimmer als ein Nazi mit Sonnenbrand!“

„Dann ist Urlaub in Deutschland wohl nix für euch, man kann ja niemanden zum Glück zwingen!“

„Wo genau wart ihr denn überhaupt, dass ihr so begeistert seid?“

„Finkenwerder!“

„Finkenwerder? Das ist doch quasi Hamburg, da kommt man doch mit dem HVV hin!“

„Eben, und is’ trotzdem Tapetenwechsel, vor allem: klimatechnisch gesehen ganz weit vorn!“

„Dann können wir ja nächstes Mal einfach die Häuser tauschen!“

„Warum nicht? So ein Perspektivwechsel kann selbst im eigenen Viertel erneuernd auf die eigene Energie wirken!“

„Laut Prognosen können wir uns nächsten Sommer sowieso nichts anderes mehr leisten!“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.