RBB in der Krise: Und alle gucken weg

Die Affäre Schlesinger demonstriert, wie die beitragsfinanzierte Mitnahmementalität funktioniert. Je höher der Status, desto größer das Ego.

Patricia schlesinger sitzt in einem Büro auf dem Tisch und lächelt in die Kamera

Patricia Schlesinger wollte den RBB rocken, das ist ihr gelungen Foto: Thomas Ernst/rbb

Die ARD-Intendanten entziehen ihr das Vertrauen, der RBB-Verwaltungsrat entlässt sie fristlos – Patricia Schlesinger, zuletzt Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg, hat keine FreundInnen mehr. So schnell kann man gar nicht gucken, wie sich da nun alle von ihr abwenden – und nichts gewusst haben wollen. Aber es muss doch jemand gesehen haben! Wozu ist denn so ein Büro wie das von Schlesinger gut, wenn nicht, um gesehen zu werden?

Es soll „Repräsentationszwecken“ dienen, Gäste in Empfang nehmen, entsprechend der grandiosen Bedeutung des Rundfunks und seiner Intendantin. Zumal diese seit Januar auch noch Vorsitzende der noch bedeutenderen ARD war – es muss also so großartig wie möglich sein. Da muss doch jemand mitbekommen haben, wie sehr die Intendantin über ihre und unser aller, der BeitragszahlerInnen, Verhältnisse lebte.

Mit gutem Grund sind wir BürgerInnen, die monatlich 18,36 Euro fürs öffentlich-rechtliche Radio, Fernsehen, Internet bezahlen müssen, wütend. Die grandiose Überschätzung des eigenen Verdienstes auf unsere Kosten ist eine grandiose Unverschämtheit. Erst die Honorare für die freien MitarbeiterInnen kürzen und sich dann selbst 16 Prozent Gehaltserhöhung gönnen.

Die Aufregung darüber ist daher keine Neiddebatte, sondern eine um die fahrlässige Gefährdung demokratisch notwendiger Institutionen durch das eigene Personal. Schlesinger betrieb gewissermaßen Sabotage an der Glaubwürdigkeit der Demokratie. Eine bessere Angriffsfläche hätte der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen GegnerInnen von weit rechts gar nicht bieten können.

303.000 Euro Jahresgehalt

Und jetzt recherchiert der eigene Sender gegen sie – wir BeitragszahlerInnen bezahlen, dass endlich ans Licht kommt, was doch für viele offensichtlich sein musste! In ihrer ersten „Panorama“-Sendung im Jahr 1997 hatte Schlesinger noch die Verschwendung von „unserem Steuergeld“ beklagt – es ging um Opferrenten für Naziverbrecher in Höhe von monatlich mehreren Tausend Euro.

Sie selbst bezog mit 303.000 Euro ein deutlich höheres Jahresgehalt als jedeR deutsche MinisterpräsidentIn – warum? Und ob sie tatsächlich kein „Ruhegeld erhalten wird, wie vom RBB-Verwaltungsrat gewünscht, werden wohl erst Gerichte klären müssen, denn Schlesinger sieht sich als „Sündenbock“ missbraucht, ihre Kündigung sei „durch die Faktenlage keineswegs gedeckt“. Na wunderbar.

Dem eigenen Ehemann besorgte sie, mutmaßlich in Vetternwirtschaft – die Staatsanwaltschaft hat erst nach einigem Zögern die Ermittlungen aufgenommen – einen honorierten Beraterjob, sie selbst ließ sich mal eben 20.000 Euro Bonus auszahlen – wofür? Und warum meinte diese oberste Angestellte – und mit ihr offenbar ihr gesamtes ge- und verblendetes Umfeld –, sie habe einen Dienstwagen für 145.000 Euro „verdient“, samt Massagesitzen und der Möglichkeit, ihn auch privat zu nutzen, zwei Chauffeure inklusive?

Dienstwagen mit Massagesitz

Warum nur ging sie davon aus, dass der schicke neue Fußboden in ihrem Büro, Sofas vom Feinsten, Pflanzen mit automatischer Berieselung und so weiter und so fort – insgesamt kostete der Umbau der Indendantinnenetage rund 1,4 Millionen Euro – von Beiträgen zu entrichten seien? Noch dazu an den vorgeschriebenen internen Prüfinstanzen vorbei? Größenwahn? Oder welche Mentalität steckt dahinter?

Je höher der Status, desto größer das Ego, desto mehr Gestaltungsspielraum, desto ungehemmter das Wirtschaften in die eigene Tasche. Die mit den dicksten Gehaltsansprüchen machen dann gern auf volkswirtschaftlich unentbehrlicheN „LeistungsträgerIn“. Aber auch unterhalb der oberen Zehntausend treibt nicht wenige der Anspruch durchs Leben, die Welt sei ihnen etwas schuldig. Mal eben den To-go-Müll auf die Straße werfen? „Macht jemand anders weg!“ Energiesparen im Büro? „Wieso?

Zahlt doch die Firma!“ Die Schultoiletten sind verdreckt? Ungeheuerlich! Schon, aber warum sind sie es denn? Weil offenbar zu viele SchülerInnen, Lehrkräfte und Eltern davon ausgehen, sie seien nicht dafür zuständig, Devise: „Gehört mir nicht, machen andere sauber.“ Kaum jemand sieht sich in der Verantwortung fürs allgemeine, und jeder exzessiv fürs eigene Wohl.

Die Marktwirtschaft hat das großartig gerichtet, so wie sie angeblich alles zum Guten wendet. Nach dem pseudoliberalen Motto: „Geht es mir gut, geht es allen gut“. Da wird Egoismus zum moralisch vertretbaren, weil gemeinnützigen Akt. Nehmen und Fordern, statt selbst mit anpacken – und andere bezahlen lassen. Und noch wichtiger: Man kann sich wahnsinnig bedeutend dabei fühlen und sich entsprechend wichtig machen, in Gestus, Kleidung, Büroausstattung, Luxusessen.

Heillose Selbstüberschätzung

Dumm nur, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Einnahmen nicht auf dem freien Markt erwirtschaftet, sondern beitragsfinanziert. Er ist der Allgemeinheit verpflichtet. Die kapitalistische Mitnahmementalität funktioniert in einer Institution mit öffentlich-moralischem Anspruch nicht ganz so gut. Aber offenbar versagten alle Kontrollmechanismen. Ich war immer ein Fan des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und habe ihn bei jeder Gelegenheit verteidigt.

Er leistet oft gute, demokratiewichtige Arbeit. Die Qualität vieler Beiträge ist hoch. Ich habe meine Beiträge stets gern gezahlt. Doch meine Überzeugung gerät nun ins Wanken. Anders als die ein oder andere verunglückte Sendung und mitunter arg regierungsnahe Berichterstattung lässt sich das nicht so einfach schlucken: dass wir alle für den weltfremden Luxus und die heillose Selbstüberschätzung derer „da oben“ unsere Beiträge gezahlt haben.

Schlesinger wollte „den RBB rocken“. Nun, das ist ihr gelungen. Den Volkszorn darüber sollte man nicht den GegnerInnen der Demokratie überlassen. Denn es gibt einen Trost: Eigentlich ist es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie mit den Schultoiletten: Es handelt sich um Volkseigentum. Das ist unsere Firma. Sie gehört allen. Wir sind alle verantwortlich. Und sie ist uns allen Rechenschaft schuldig.

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ist freie Autorin und Journalistin in Berlin. In Buchform erschienen zuletzt die Essays „Kontakttagebuch“ und „Liquidierung der Vergangenheit“ sowie die Erzählung „Margret & Fritz“.

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