Entlastungen für die Energiepreiskrise: Unmut gegenüber Ampel wächst

In den Landesverbänden von SPD und Grünen wächst der Unmut über fehlende Entlastungen. Am Freitag will die Koalition über eigene Maßnahmen sprechen.

Eine ältere Frau geht mit einem Rollator auf einem Weg entlang.

Hohe Preise führen zu Altersarmut Foto: dpa | Armin Weigel

BERLIN taz | In der Berliner Landesregierung wächst der Unmut mit der Ampel. Diese weigert sich derzeit im Bund, entscheidende Entlastungen umzusetzen, um die hohen Energie- und Lebenserhaltungskosten zumindest etwas abzumildern. Denkbar wären etwa ein Energiepreisdeckel, eine Übergewinnsteuer, die Fortführung des 9-Euro-Tickets oder ein Moratorium für Gas- und Stromsperren. Da SPD und Grüne auch im Bund mitregieren, stellen sich die Landesverbände damit gegen die Bundesparteien.

„Was vom Bund bisher gekommen ist, ist in keiner Weise ausreichend“, schimpfte etwa Jörg Stroedter, energiepolitischer Sprecher der Berliner SPD, gegenüber der taz. „Da kommen Menschen mit fünfstelligem Monatsgehalt mit Tipps zum Umgang mit Waschlappen um die Ecke.“ Die auch von seiner Partei mitbeschlossene Gas-Umlage sei eine „Verteuerung, von der bald auch Konzerne profitieren, die überhaupt keine Rettung brauchen.“ Heftig kritisierte Stroedter die „undurchdachte“ Embargopolitik gegenüber Russland.

Auch die Berliner Grünen gehen auf Distanz zur Ampel. „Für eine Politik à la Christian Lindner, die auch Besserverdienende entlastet, stehen wir nicht zur Verfügung“, schrieb die Fraktionsvorsitzende Silke Gebel in einem am Freitag veröffentlichten Positionspapier der Partei. Die darin gestellten Forderungen sollten die „sozialökologische Lücken schließen, die der Bund offen lässt“. Konkret will der Landesverband etwa den Energiepreisdeckel, die Übergewinnsteuer und Moratorien für Zwangsräumungen und Energiesperren.

Am Freitag will die Koalition darüber reden, was das Land vom Bund fordern und wie es selbst entlasten kann. Gut möglich ist, dass dabei ein Forderungspaket zusammenkommt, das der Ampel übel aufstoßen wird. Von den Linken wird es keine Widerstände gegen die Forderungen der Grünen geben. Auch SPD-Mann Stroedter findet es „schade“, dass es noch keine Übergewinnsteuer gibt. Ein Energiedeckel und Moratorien für Energiesperren sind für ihn ebenfalls vorstellbar.

Berlin kann nur zusätzlich helfen

Teil des Pakets könnte auch ein günstiger Nahverkehrstarif nach Vorbild des 9-Euro-Tickets sein. In der Berliner Koalition gibt es etwa Vorstöße für 29 Euro pro Monat oder 365 Euro im Jahr. Die Grünen verlangen eine armutsfeste Ausstattung des geplanten „Bürgergeldes“ mit mindestens 678 Euro und eine Erhöhung von Wohngeld und Bafög sowie eine Erweiterung des Berechtigungskreises.

Die Linken wollen ein Energiegeld von monatlich 125 Euro pro Einpersonenhaushalt – für je­de:n wei­te­re:n Mit­be­woh­ne­r:in sollen noch 50 Euro dazukommen. Auch Stroedter spricht von „direkten Zahlungen“ als mögliche Alternative zum Gaspreisdeckel.

Dass die Berliner Landesparteien bisher hauptsächlich Forderungen an den Bund stellen, liegt daran, dass dem Land gesetzgeberisch weitgehend die Hände gebunden sind. „Berlin kann höchstens bestimmte Dinge zusätzlich kofinanzieren“, sagt Stroedter. Seit Wochen lautet das Mantra aller Parteien, das Land müsse die Entlastungen des Bundes abwarten, bevor es selbst tätig wird.

2 Milliarden Euro mehr Steuergelder

Sehr wahrscheinlich ist aber schon jetzt, dass Berlin im Land den bereits beschlossenen Härtefallfonds in Höhe von 380 Millionen Euro aufstocken wird. Die SPD hat die Zahl von einer Milliarde Euro in den Ring geworfen. Die Linke würde auch noch weiter gehen. „Wir haben sehr stark steigende Mehrwertsteuereinnahmen“, sagte deren Fraktionsvorsitzende Carsten Schatz der taz. Allein in Berlin seien das 2 Milliarden Euro. Nötig sei jetzt, kontrazyklisch zu investieren. „Sonst sind die Ver­brau­che­r:in­nen gezwungen, das Portemonnaie zuzumachen, dann sinken auch die Steuereinnahmen.“

Dafür wäre wohl ein Nachtragshaushalt nötig. Diesbezüglich äußern sich vor allem die Grünen vorsichtig. Ihr Finanzsenator Daniel Wesener erklärte auf der Senatspressekonferenz am Dienstag zwar, dass die Landeskasse ein positives Finanzsaldo von 2,3 Milliarden Euro aufweise. Man könne aber „nur spekulieren“, ob ein Nachtragshaushalt notwendig wird. Auch im Positionspapier der Partei heißt es, das dies von den Entscheidungen des Bunds abhänge.

Aus dem Notfallfonds will das Land Energieschulden begleichen. Laut dem Papier der Grünen sollen alle, die einen Wohnberechtigungsschein beantragen könnten, Unterstützungen erhalten können – bislang sind das Einpersonenhaushalte mit einem Jahreseinkommen von weniger als 16.800 Euro plus 5.740 Euro für jede weitere Person. Ebenso wie die Linken wollen die Grünen auch soziale Träger wie Obdachlosenhilfen nicht vergessen. SPD-Mann Stroeder pocht auf Unterstützung für die kleine und mittelständige Wirtschaft. „An der hängen Arbeitsplätze“, sagt er.

Zwangsräumungen verhindern

Darüber hinaus wollen Linke und Grüne ein Moratorium für Zwangsräumungen – wenigstens für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. „Niemand soll seine Wohnung wegen zu hoher Betriebskosten verlieren“, sagt Schatz zur taz. Für Stroedter ist das ebenfalls „diskutierbar“, die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften seien aber bereits finanziell gebeutelt.

Auch im Wohnungsbündnis sollen Gespräche über ein Kündigungsmoratorium geführt werden. Für eine flächendeckende Regelung wäre erneut der Bund gefordert. Im Papier der Grünen heißt es, dieser solle den Ländern die Möglichkeit geben, Mieterhöhungen zu unterbinden.

Geht es nach den Grünen, sollen auch die Berliner Energieunternehmen Vattenfall und Gasag in den Härtefallfonds einzahlen, falls der Bund keine Übergewinnsteuer beschließt – wovon die Konzerne eher wenig begeistert sind. Sie verweisen auf die hohen Beschaffungskosten für Gas und eingebrochene Gewinne.

Ein eigener Berliner Energiepreisdeckel wird nicht möglich sein: Bremen war kürzlich mit einem entsprechenden Vorschlag vorgeprescht. Dort seien Gasnetz und Grundversorger aber in kommunaler Hand, erklärt Schatz. Zwar strebt auch Berlin die Rekommunalisierung an. Doch „so schnell, wie wir es bräuchten“, gehe das nicht, sagt Schatz.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.