Verbote von Pestiziden in der EU: Naturschützer gegen Grüne

Umweltverbände rügen das Bundesagrarministerium. Es will Bauern entgegenkommen, die Verbote von Pestiziden in Landschaftsschutzgebieten ablehnen.

Traktor besprüht Getreidefeld inmitten des Getreides in Richtung Sonnenuntergang

Das soll in Naturschutzgebieten künftig verboten sein: Traktor besprüht Getreidefeld mit Pestiziden Foto: Harry Koerber/imago

BERLIN taz | UmweltschützerInnen kritisieren, dass das von den Grünen geführte Bundesagrarministerium weniger Verbote von Pestiziden als die EU-Kommission fordert. Die beamtete Staatssekretärin des Ressorts, Silvia Bender, hatte bei einer Bauerndemo am 15. August in Bonn erklärt, Landschaftsschutzgebiete zum Beispiel sollten nicht als „empfindliche“ Zonen eingestuft werden, in denen die EU-Behörde laut einem Verordnungsentwurf Ackergifte untersagen will. 26 Prozent der Fläche Deutschlands sind laut Bundesamt für Naturschutz Landschaftsschutzgebiete.

„Das ist eine unglückliche Formulierung“, sagte Verena Riedl, Pestizidreferentin des Naturschutzbunds, der taz über Benders Äußerung. Einschränkungen für den Chemieeinsatz seien auch in den Landschaftsschutzgebieten „dringend“ nötig, auch wenn Verbote in noch stärker geschützten Zonen wie Naturschutzgebieten Priorität hätten.

„Grundsätzlich ist es natürlich total ungünstig, wenn eine grüne Regierung gegenüber den Landwirten, wenn sie Druck ausüben, zugesteht, den Entwurf in Brüssel zu verwässern“, ergänzte Katrin Wenz, Agrarpolitikreferentin des Bunds für Umwelt und Naturschutz.

Jährlich werden in der EU laut Behörden rund 350.000 Tonnen Wirkstoffe eingesetzt, die Kulturpflanzen vor Schädlingen und Krankheiten schützen sollen. Rückstände finden sich in Böden, Wasser und Lebensmitteln sowie im menschlichen Körper. Pestizide tragen auch dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben.

Pestizideinsatz in der EU verringern

Deshalb will die EU-Kommission mit einer Verordnung die Mitgliedstaaten verpflichten, den Pestizideinsatz und die damit verbundenen Risiken bis 2030 im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre von 2015 bis 2017 grundsätzlich zu halbieren. Wenn ein Land schon davor den Einsatz stärker als der EU-Durchschnitt reduziert und zum Beispiel neue Schädlinge erwartet, sollen auch minus 35 Prozent reichen.

Professionelle Anwender wie Landwirte müssen laut dem Entwurf künftig in einer amtlichen Datenbank jeden Pestizideinsatz eintragen und begründen. Die Mitgliedstaaten sollen für die wichtigsten Kulturpflanzen artspezifische Regeln festlegen, damit Pflanzenschutzmittel nur verwendet werden, wenn sich das nicht vermeiden lässt.

In „empfindlichen Gebieten“ wie Naturschutzflächen oder städtischen Grünanlagen sollen keine Pestizide benutzt werden dürfen. Ausnahmegenehmigungen sollen möglich sein, wenn keine Alternative mit geringerem Risiko verfügbar ist.

Besonders gegen das grundsätzliche Pestizidverbot richtet sich derzeit der Protest von Agrarverbänden. Denn die Kommission sieht dafür eine große Fläche vor, zu der auch die Landschaftsschutzgebiete gehören. Insgesamt 3,5 Millionen Hektar Ackerflächen und intensive Kulturen liegen laut Bauernverband in den unterschiedlichen Schutzgebietskategorien, die die Kommission als „empfindlich“ deklarieren will. Das sind 21 Prozent der deutschen Agrarfläche.

Die vorgeschlagenen Regeln würden dem Bauernverband zufolge etwa bei Getreide „jährliche Ertragsverluste in der Größenordnung von 7 Millionen Tonnen zur Folge haben“. Das entspricht fast 17 Prozent der Erntemenge von 2021. Dabei stelle der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln „nach guter fachlicher Praxis“ keinen Widerspruch zum Naturschutz dar.

„Auch der Ökolandbau ist von der geplanten Regelung in den Schutzgebieten nach derzeitigem Stand voll betroffen, da die meisten der im Ökolandbau zugelassenen Pflanzenschutzmittel von dem Verbot des Einsatzes in Schutzgebieten erfasst sind“, teilte der Verband weiter mit. Tatsächlich verbietet der Entwurf der Kommission dem Wortlaut nach den Einsatz „aller Pflanzenschutzmittel“ in den empfindlichen Gebieten. Das Agrarministerium betont denn auch, der Entwurf könne noch geändert werden. Er liegt derzeit dem Rat der Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament vor.

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