Die Wahrheit: Den Kopf eines Heiligen im Gepäck

Bei den seltenen Hitzewellen in Irland kommen die absonderlichsten Dinge zum Vorschein. Vor allem aber tonnenweise weiße Steine.

Das ist gerade noch mal gutgegangen. Die irische Hitzewelle mit bisher unvorstellbaren Temperaturen um 30 Grad ist seit einer Woche vorbei. Vorigen Montag endete sie mit einem heftigen Gewitter. Seitdem zeigt das Thermometer wieder irisch-normale Werte von 17 Grad an.

Der Ire ist für hohe Temperaturen ungeeignet, und seine Insel ist es auch. In den Köpfen verdampfte jeder klare Gedanke, in den Hähnen und in den Bächen versiegte das Wasser. Mit dem Gewitter kehrten endlich wieder die üblichen Stromausfälle zurück.

Die Archäologen hatten gehofft, dass prähistorische Überreste freigelegt würden, wie es bei der letzten Hitzewelle geschehen war. Damals wurden 66 verschwunden geglaubte Kulturstätten wiederentdeckt, darunter der Grundriss des Geburtshauses von St. Oliver Plunkett, der 1625 geboren und 1975 heiliggesprochen wurde.

Die Engländer hatten ihn 1681 gehängt, gestreckt und gevierteilt, weil er Katholik war. An seinem 300. Todestag flog der irische Kardinal Tomás Ó ­Fiaich mit Plunketts Kopf im Hubschrauber nach Clapham Common in London, wo 20 Bischöfe nicht weit vom damaligen Galgenplatz Tyburn eine Gedenkmesse zelebrierten.

Außerdem förderte die Hitze auch Monumente jüngeren Datums zutage. Bei uns an der Westküste, oben am Black Head, ist das Wort „Èire“ aus der Luft weithin sichtbar. Es ist 12 mal 6 Meter groß und besteht aus 150 Tonnen weißer Steine. Von diesen Zeichen gab es 85 Stück an den irischen Küsten. Sie wurden während des Zweiten Weltkriegs angelegt, um die deutschen Bomberpiloten darauf hinzuweisen, dass sie sich über dem neutralen Irland befanden und ihre Bomben gefälligst anderswo abwerfen sollten. Ganz so neutral war Irland freilich nicht. Jedes Zeichen hatte eine Nummer, und den Lageplan hatte man den Alliierten gegeben, damit sich deren Piloten im Einsatz besser orientieren konnten.

Nach dem Krieg verschwanden die meisten dieser Zeichen, weil Bauern die Steine zum Bau von Mauern verwendeten. Doch während der Hitzewelle 2018 brannten auf dem 240 Meter hohen Bray Head südlich von Dublin die Ginsterbüsche ab, so dass nach 70 Jahren das Éire-Zeichen mit der Nummer 8 wieder zum Vorschein kam.

Diesmal förderte die Hitzewelle nichts dergleichen zutage. Möglicherweise dauerte sie nicht lang genug. Schuld daran ist mein Nachbar. Vor acht Tagen ertappte ich ihn dabei, wie er den Heiligen Isidor anflehte. Der ist nicht nur Schutzpatron von Madrid, sondern auch der Bauern insgesamt, und er hilft gegen Dürre. Isidor wird ein Wunder zugeschrieben: Während er unter einem Baum schlief, bestellten Engel sein Feld.

Wünschte sich mein Nachbar, dass es regnete oder dass Engel die Arbeit für ihn erledigten? Kurz darauf bekam ich die Antwort. Das meteorologische Institut rief die Warnstufe Orange aus: Man müsse mit Überschwemmungen rechnen. Alles wieder normal in Irland.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.