Inflation droht noch weiter zu steigen

Die Erzeugerpreise sind so stark nach oben geschossen wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Bald spüren das auch die Verbraucher

Wird demnächst wohl von manchen dünner auf das Brot gestrichen: Molkereiprodukte wie Butter werden teurer  Foto: imago

Von Jost Maurin

Ein wichtiger Frühwarnindikator für die Inflation ist auf einen Rekordwert gestiegen: Die Erzeuger von Industriewaren, Rohstoffen und Energie haben ihre Preise in der Bundesrepublik im Juli so stark erhöht wie nie – um 37,2 Prozent im Vergleich zum selben Monat des vergangenen Jahres. Dies ist der höchste Anstieg seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949, als die Bundesrepublik gegründet wurde. Im Vormonatsvergleich erhöhten sich die Erzeugerpreise im Juli 2022 um 5,3 Prozent. Das ist ebenfalls Rekord, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte.

Diese Zuschläge dürften auch die VerbraucherInnen bald spüren, denn die Produzentenpreise gelten als Vorläufer für die Entwicklung der allgemeinen Inflation. Der Druck auf die Bundesregierung, die Geldentwertung und ihre sozialen Auswirkungen einzudämmen, wächst also weiter. Im Juli lagen die Preise, die die VerbraucherInnen zahlen, 7,5 Prozent über dem Vorjahr. Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket drücken derzeit die Teuerung für die Verbraucher, laufen jedoch am Monatsende aus. Experten rechnen deshalb im Herbst mit höheren Inflationsraten von um die 9 Prozent.

Volkswirten der Commerzbank zufolge dürfte dann der „Hochpunkt“ erreicht werden. Eine baldige Rückkehr auf Inflationsraten von etwa 2 Prozent erwarten sie hingegen nicht. Denn die Löhne werden wohl im kommenden Jahr merklich anziehen. „Und diese Kosten dürften die Unternehmen an ihre Abnehmer weitergeben“, sagt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. „Schließlich sprechen einige langfristige Trends wie die ungünstige Demografie, die Kosten des Kampfs gegen den Klimawandel und der weltweit zunehmende Protektionismus für eine höhere Teuerungsrate.“

Die Erzeugerpreise sind vor allem gestiegen, weil sich die Energiekosten im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat infolge des Kriegs in der Ukraine mehr als verdoppelt haben. Erdgas verteuerte sich um 163,8 Prozent, Strom um 125,4 Prozent. Mineralölerzeugnisse kosteten 41,8 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Metalle legten um 24,1 Prozent zu, Düngemittel um 100,4 Prozent, Getreidemehl um 48,9 Prozent, Butter um 75,2 Prozent.

Die höheren Erzeugerpreise werden in großem Umfang an die Verbraucher weitergegeben: Das Vergleichsportal Verivox zählte für August, September und Oktober 123 Preissteigerungen von Strom-Grundversorgern mit einer durchschnittlichen Erhöhung um 25 Prozent. Für einen 3-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 4.000 Kilowattstunden bedeute das im Durchschnitt Mehrkosten in Höhe von 311 Euro jährlich.

An vielen Orten werden bald auch Fahrten mit Bus und Bahn teurer. Etwa in und um Stuttgart würden die Tarife zum Jahreswechsel durchschnittlich um 4,9 Prozent steigen, teilte der dortige Verkehrsverbund mit.

Zunehmend versuchen Hersteller von Lebensmitteln und anderen Gütern auch, Preiserhöhungen zu verstecken. Die Verbraucherzentrale Hamburg berichtete, immer öfter beschwerten sich Menschen über schrumpfende Packungsgrößen bei gleichbleibenden oder sogar steigenden Preisen. Betroffen seien zahlreiche Produkte von der Margarine über Süßwaren bis hin zur Tiefkühlpizza.