+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Scholz doch keine Leberwurst

Der scheidende Botschafter Melnyk bietet dem Kanzler eine Entschuldigung an. Russland erklärt das Asow-Regiment zur Terrororganisation.

Bundeskanzler Scholz.

Olaf Scholz bei einer Kabinettssitzung im Juli Foto: Markus Schreiber/ap

Russland erklärt Asow-Regiment zur Terrororganisation

Das Oberste Gericht Russlands hat das ukrainische Asow-Regiment am Dienstag zu einer verbotenen Terrororganisation erklärt. Das Büro der russischen Generalstaatsanwaltschaft hatte einen entsprechenden Antrag im Mai eingereicht. Ukrainischen Kriegsgefangenen des Regiments in Russland droht damit eine Anklage wegen Terrorismus.

Eine große Zahl von Kämpfern des Regiments wird von Moskau festgehalten. Die russischen Behörden haben zahlreiche Strafverfahren gegen sie eröffnet. Sie werden beschuldigt, Zivilisten getötet zu haben.

Das Asow-Regiment ist eine Einheit innerhalb der ukrainischen Nationalgarde. Es entstand aus dem 2014 gegründeten Asow-Bataillon – einer von vielen Freiwilligenbrigaden, die das unterfinanzierte ukrainische Militär im Kampf gegen prorussische Separatisten im Osten der Ukraine unterstützen wollten.

Zunächst zog das Asow-Bataillon vor allem Kämpfer aus rechtsextremen Kreisen an. Seine aktuellen Mitglieder haben Vorwürfe von Nationalismus und Radikalismus zurückgewiesen. (ap)

Melnyk bietet Scholz Entschuldigung an

Kurz vor seinem Abschied aus Deutschland hat der bisherige ukrainische Botschafter Andrij Melnyk Bundeskanzler Scholz (SPD) eine Entschuldigung für Schmäh-Äußerungen angeboten. Er habe im Kanzleramt um ein Gespräch mit Scholz wegen seines baldigen Abschieds aus Deutschland gebeten, sagte Melnyk am Dienstag bei Bild TV. „Wenn der Kanzler mich empfangen würde vor dem Abschied, dann würde ich mich bei ihm entschuldigen.“

Entschuldigen würde er sich dafür, dass er den Kanzler als „beleidigte Leberwurst“ bezeichnet hatte, sagte Melnyk. Der Diplomat hatte diese Äußerung getätigt, als Scholz nach der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus der Ukraine zunächst eine eigene Reise nach Kiew abgelehnt hatte.

Der ukrainische Präsidenten Selenski hatte Melnyk Anfang Juli von dem Botschafterposten in Berlin abberufen. Melnyk wird nach seiner Rückkehr nach Kiew weiter im diplomatischen Dienst seines Landes tätig sein. Nicht kommentieren wollte er Berichte, er werde stellvertretender Außenminister. Darüber müsse die Regierung entscheiden. (afp)

Russland warnt vor Scheitern des Getreideabkommens

Ungeachtet des ersten aus einem ukrainischen Hafen ausgelaufenen Frachtschiffs warnt Russland erneut vor einem möglichen Scheitern des Getreideabkommens. Die Vereinbarung zur Getreideausfuhr habe einen Paketcharakter, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. „Darum warnen wir vor Versuchen, den zweiten Teil des Pakets zu verzögern oder nicht zu erfüllen“, sagte sie mit Blick auf eine in Aussicht gestellte Lockerung einiger Sanktionen gegen Russland.

Moskau und Kiew hatten sich vor rund anderthalb Wochen unter internationaler Vermittlung auf ein Abkommen zur Freigabe der Getreide-Exporte aus der Ukraine geeinigt, die wegen Russlands Angriffskrieg monatelang blockiert waren. Am Montag lief das erste Schiff aus dem Hafen von Odessa aus.

Russland hat stets betont, es erwarte im Gegenzug, dass seine Getreide-, Lebensmittel- und Düngerexporte ebenfalls wieder in vollem Umfang aufgenommen werden können. (dpa)

Selenski sieht positives Signal im Ende der Getreideblockade

Der ukrainische Präsident Selenski zeigte sich nach der Wiederaufnahme der Getreideexporte vorsichtig optimistisch, die globale Versorgungskrise lösen und die eigene Wirtschaft ankurbeln zu können. „Der Hafen hat begonnen zu arbeiten und dies ist ein positives Signal dafür, dass es eine Chance gibt, die Entwicklung der Nahrungsmittelkrise in der Welt zu stoppen“, sagte Selenski am Montagabend in seiner täglichen Videobotschaft. Seinen Angaben nach warten 16 weitere Schiffe in den Häfen darauf, abgefertigt zu werden.

Ein Frachter auf dem Meer

Der Frachter Razoni nach dem Auslaufen aus dem Hafen in Odessa am Montag Foto: Ukrainisches Infrastukturministerium/dpa

Selenski machte deutlich, dass die Umsetzung des Getreideabkommens, das ein Ende der russischen Seeblockade vorsieht, auch für die Ukraine von enormer Bedeutung ist. Es gehe nicht nur um Milliarden an Deviseneinnahmen. „Ungefähr eine halbe Million Ukrainer sind am Anbau der landwirtschaftlichen Exporterzeugnisse beteiligt, und wenn wir verwandte Industrien hinzufügen, dann sind das noch eine Million Arbeitsplätze zusätzlich“, sagte er.

Zudem sollten internationale Verbündete aufmerksam verfolgen, ob sich Moskau weiter an den Deal halte, mahnte er. „Wir können nicht den Illusionen verfallen, dass Russland es einfach unterlassen wird, zu versuchen, ukrainische Exporte zu stören.“

Ein Sprecher des russischen Militärs versicherte am Montagabend, dass Russland seine Verpflichtungen zur Umsetzung des Abkommens einhalten werde. (dpa/ap)

Baerbock lobt „Geste der Humanität“

In New York begrüßte Außenministerin Annalena Baerbock das Auslaufen des ersten Getreidefrachters als „kleine Geste der Humanität“. Bundesagrarminister Cem Özdemir betonte indes die Notwendigkeit für den Ausbau alternativer Transportwege für Getreide aus der Ukraine. „Es geht um permanente Alternativen, nicht um temporäre“, sagte der Grünen-Politiker der Rheinischen Post (Dienstag). „Ich will die EU-Kommission dafür gewinnen, den Ausbau alternativer Exportrouten zu forcieren.“ Die Ukraine dürfe in der Frage nicht weiter auf Russland angewiesen sein. (dpa)

Spanien erlässt Energiesparverordnung

Die spanische Regierung hat wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine „dringende Maßnahmen“ zur Einsparung und zur effizienteren Nutzung von Energie beschlossen. Alle Gebäude des öffentlichen Sektors, aber auch Kaufhäuser, Kinos, Arbeitsstätten, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen werden künftig ihre Räumlichkeiten im Sommer auf nicht weniger als 27 Grad abkühlen und im Winter auf höchstens 19 Grad beheizen dürfen. Das sei auf der wöchentlichen Kabinettssitzung in Madrid beschlossen worden, erklärte am Montagabend die Ministerin für Ökologischen Wandel, Teresa Ribera.

Die Maßnahmen des königlichen Dekrets müssen nach Angaben Riberas spätestens nach einer einwöchigen „Anpassungsperiode“ nach Veröffentlichung im Amtsblatt umgesetzt werden. Sie sollen bis zum 1. November 2023 in Kraft bleiben. Es handele sich um ein erstes Maßnahmenpaket, das in einer „kritischen Lage“ nötig sei. Europa benötige die Hilfe Spaniens. „Es ist an der Zeit, solidarisch zu sein“, betonte die Ministerin der linksgerichteten Regierung.

Neben anderen Maßnahmen müssen Läden und Betriebe mit automatischen Systemen, die bis zum 30. September installiert sein müssen, ihre Türen geschlossen halten, um je nach Jahreszeit das Entweichen von Wärme oder kühler Luft zu vermeiden. Die Beleuchtung von nicht benutzen Büros, von Schaufenstern und Denkmälern muss außerdem nach 22 Uhr ausgeschaltet werden. Überprüfungen der Energieeffizienz von bestimmten Gebäuden sollen vorgezogen werden. Die Privatwirtschaft rief Ribera dazu auf, das Arbeiten im Homeoffice zu verstärken.

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Mit diesen und mit weiteren Maßnahmen, die nach der Sommerpause beschlossen werden sollen, will Spanien die vom Land eingegangenen Verpflichtungen im Rahmen des in der vorigen Woche vereinbarten europäischen Notfallplans einhalten. Das Land soll den Gaskonsum um sieben Prozent reduzieren. Spanien hatte sich wie andere EU-Länder dem Notfallplan zunächst widersetzt, das Vorhaben nach Zugeständnissen aber am Ende gebilligt. (dpa)

Kritik an Russlands Atompolitik

US-Außenminister Antony Blinken hat Russland vorgeworfen, seine Atomwaffen für rücksichtslose Kriegsdrohungen einzusetzen. Frühere Äußerungen von Kremlchef Wladimir Putin, wonach militärische Hilfe für die Ukraine beispiellose Folgen haben könne, seien „gefährliches nukleares Säbelrasseln“, sagte Blinken am Montag zum Start der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag (NVV) in New York.

Bei einem weiteren Auftritt am Rande der Konferenz sagte Blinken, die US-Regierung sei auch „zutiefst besorgt“ darüber, dass Russland im Krieg gegen die Ukraine mehrere dortige Atomkraftanlagen eingenommen habe. Mit Blick auf das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja etwa gebe es glaubhafte Berichte, dass Russland die Anlage als eine Art Schutzschild benutze – also aus der Nähe der Anlage auf ukrainische Kräfte schieße. Die Ukrainer könnten nicht zurückschießen, weil es dadurch zu einem schrecklichen atomaren Unfall kommen könnte. (dpa)

Putin will keinen Atomkrieg starten

Kremlchef Wladimir Putin trat den seit Kriegsbeginn wachsenden Befürchtungen entgegen, dass Moskau in der Ukraine womöglich Atomwaffen einsetzen könnte. „Wir gehen davon aus, dass es in einem Atomkrieg keine Sieger geben kann und er niemals begonnen werden darf“, schrieb Putin in einem am Montag auf der Webseite des Kremls veröffentlichten Grußwort an die Teilnehmer der Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York. Russland werde sich an seine Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag halten. (dpa)

Deutsche Artilleriesysteme in der Ukraine

Die Ukrainer freuen sich über eine Verstärkung ihrer eigenen Artilleriesysteme. Am Montag trafen nach Angaben aus Kiew Mehrfachraketenwerfer des Typs Mars II aus Deutschland ein. Verteidigungsminister Olexej Resnikow bedankte sich bei seiner deutschen Kollegin Christine Lambrecht für die Waffenhilfe.

Lambrecht hatte die Lieferung bereits in der vergangenen Woche annonciert. Demnach gingen drei Mars II-Systeme an die Ukraine. An schweren Waffen hat Deutschland zudem die Flugabwehrpanzer Gepard und Artilleriegeschütze vom Typ Panzerhaubitze 2000 an Kiew übergeben. (dpa)

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