Sexueller Missbrauch im Sport: Gewalt als Normalität

Details über sexualisierte Gewalt im Schwimmverband verstören. Sie sind Teil eines Systems, das auf Drill, Gehorsam und Rücksichtslosigkeit beruht.

Der Grund eines Schwimmbeckens

Die massive Gewalt im Sport, die weltweit offengelegt wurde, ist systemisch und vielfältig Foto: imago

Wieder einmal erschüttert ein Skandal um sexualisierte Gewalt den organisierten Sport. Diesmal betrifft er den Schwimmverband: Kronzeuge einer ARD-Recherche ist der Ex-Wasserspringer Jan Hempel, der von Vergewaltigung über Jahre durch den eigenen Trainer und Vertuschung durch den Verband berichtet. Der Trainer wurde nie zur Rechenschaft gezogen und durfte auch nach seiner Entlassung auf Spitzenniveau weiterarbeiten.

Die massive Gewalt im Sport, die in den letzten Jahren weltweit offengelegt wurde, ist systemisch und vielfältig. Es wäre ein Fehler, sie auf sexualisierte Übergriffe zu reduzieren. Ebenso alltäglich sind körperliche und psychische Gewalt, etwa in Form von Training trotz Verletzung oder Schmerzen, von Schikane, Drill und Mobbing durch Trainer:innen, Druck zu Doping oder ungesundem Körpergewicht gerade bei Frauen. All das hat einen gemeinsamen Nenner: Gewalt gegen den Körper ist normalisiert – und wer das kritisiert, hat angeblich nicht verstanden, dass „Sport nun mal wehtut“.

Aufklärung sexualisierter Gewalt wird oft sportlichem Erfolg und Kumpelei geopfert. Das geplante unabhängige Zentrum für Safe Sport ist ein wichtiger erster Schritt. Aber es muss finanziell und personell wesentlich besser ausgestattet sein als vorgesehen. Zudem fehlt eine Debatte über Ursachen. Ex­per­t:in­nen fordern schon lange eine Demokratisierung im Sport, dass Ath­le­t:in­nen beim Training (mit-)bestimmen und auch Nein sagen lernen. Dazu: Trainer:innen-Duos statt Autokrat:innen, viel mehr Weiterbildung, viel mehr Supervision. Einheitliche Sanktionen, die der DOSB nun in seine Position aufgenommen hat, dürften auch helfen.

Doch gibt es eine tiefere, noch kaum diskutierte Ebene. Denn wo es Medaillen nur für eine Form der Leistung gibt, die häufig nur durch Gewalt gegenüber dem Körper erreichbar ist, wo Geld nur für diese Medaillen verteilt wird und wo das Publikum nur dafür klatscht, bleiben Ath­le­t:in­nen in einem System gefangen, das Rücksichtslosigkeit, Gehorsam und Gewalt zur Voraussetzung von Teilhabe macht.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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