Diplomatische Wendungen: Israel und Türkei entspannen sich

Rückkehr zu vollen diplomatischen Beziehungen angekündigt. Israel setzt auf Ankaras regionalen Einfluss, Türkei will mehr Handel und Tourismus.

Die Außenminister Israels und der Türkei neben ihren jeweiligen Nationalflaggen.

Die Außenminister Israels und der Türkei, Yair Lapid und Mevlüt Çavuşoğlu, in Ankara im Juni 2022 Foto: Necati Savas/ap

ISTANBUL taz | Die türkischen und israelischen Regierungen wollen nach Jahren der Spannungen ihr bilaterales Verhältnis wieder normalisieren. Israels Ministerpräsident Jair Lapid und der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu kündigten am Mittwoch an, binnen Kurzem wieder einen Botschafter ins jeweils andere Land zu entsenden und die Konsulate wieder zu besetzen.

Lapid sagte nach einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, beide Länder erhofften sich mehr regionale Stabilität und einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen.

Die eigentlich traditionell engen Beziehungen zwischen der Türkei und Israel waren in der zweiten Hälfte der nuller Jahre in die Krise geraten. Während sich Erdoğan in den ersten Jahren seiner Regierung noch um Vermittlung zwischen Israel und den militanten Palästinensern bemühte, engagierte sich der islamische Premier in seiner zweiten Amtszeit ab 2007 immer einseitiger aufseiten der Palästinenser.

Zu einem ersten Eklat kam es im Januar 2009, als Erdoğan auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos mit Israels Präsidenten Schimon Peres scharf aneinandergeriet und wutentbrannt die Bühne verließ.

Bruch nach Streit um Hilfskonvoi für Gaza

Zum Bruch kam es, als ein Jahr später ein hauptsächlich von der Türkei unterstützter maritimer Hilfskonvoi für Gaza von der israelischen Marine auf hoher See gestoppt wurde und bei den anschließenden Auseinandersetzungen zehn türkische Staatsbürger getötet wurden.

Obwohl sich Israel nach jahrelangen Verhandlungen dafür entschuldigte und Entschädigungen an die betroffenen Familien zahlte, trauten sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Erdoğan nicht mehr über den Weg, zumal sich Letzterer dann im Rahmen des Arabischen Frühlings auch immer mehr als Anwalt der Palästinenser und vor allem der islamistischen Hamas inszenierte.

Als im Zuge einer neuen Gaza­krise im Zusammenhang mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem etliche protestierende Palästinenser erschossen wurden, zog Erdoğan den türkischen Botschafter aus Tel Aviv endgültig ab und verwies Israels Botschafter des Landes. In der Folge beschimpften sich Erdoğan und Netanjahu nur noch gegenseitig als Mörder und Verbrecher.

Die Wende kam dann mit der neuen Regierung in Israel und der sich verändernden geopolitischen Situation im Nahen Osten. Israel hofft in der Auseinandersetzung mit Iran die Türkei auf seine Seite ziehen zu können. Die Türkei ist vor allem an einem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen interessiert und will im östlichen Mittelmeer im Streit über die Gasvorkommen wieder Verbündete gewinnen.

Türkei lockt mit kostengünstiger Gaspipeline

So bietet die Türkei Israel an, das vor der israelischen Küste geförderte Gas über eine Pipeline zur Türkei auf den euro­päi­schen Markt zu bringen. Das wäre sehr viel schneller und kostengünstiger möglich als über die von Griechenland vorgeschlagene sehr lange und teure Strecke über Kreta und den Peloponnes.

Auch hofft die Türkei darauf, dass mit der Normalisierung wieder zahlreiche israelische Touristen an die türkische Mittelmeerküste kommen. Israels Regierung erwartet dagegen, dass die Türkei mäßigend auf die islamistische Hamas einwirkt und dazu beitragen kann, die ständigen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den militanten Palästinensern im Gazastreifen und Israel mindestens etwas einzudämmen.

Der türkische Außenminister Çavuşoğlu beeilte sich aber noch am Mittwochabend mit der Ankündigung, man werde auch weiterhin die Palästinenser unterstützen. Damit wollte er der Befürchtung entgegentreten, Ankara könnte die Hamas zugunsten besserer Beziehungen zu Israel opfern.

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