Von Polizei erschossener Jugendlicher: Unabhängige Untersuchung gefordert

Über 60 Forschende verlangen die unabhängige Aufarbeitung des Todes von Mouhamed D. Ein Polizist erschoss den Jugendlichen in Dortmund.

Blumen und Kerzen

Trauer um den 16-Jährigen in Dortmund Foto: Gregor Bauernfeind/dpa

BERLIN taz | Nach dem Tod des von einem Polizisten erschossenen Mouhamed D. in Dortmund fordern mehrere Wis­sen­schaft­le­r:in­nen eine unabhängige Untersuchungskommission im Landtag von Nordrhein-Westfalen. „Wir haben die Befürchtung, dass bei dem Polizeieinsatz unprofessionell und unverhältnismäßig gehandelt wurde“, sagte Claus Melter, Professor für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Bielefeld, der taz.

Zusammen mit dem Verein „Entschieden gegen Rassismus und Diskriminierung“ startete Melter am Freitag eine Online-Petition, die von mehr als 60 Wis­sen­schaft­le­r:in­nen aus ganz Deutschland erstunterzeichnet wurde. Bei Redaktionsschluss am Montagnachmittag zählte die Petition mehr als 15.000 Unterschriften.

Am Montag vor einer Woche hatte ein Polizist den 16-jährigen Mouhamed D. aus dem Senegal im Innenhof einer Dortmunder Jugendeinrichtung mit fünf Schüssen aus einer Maschinenpistole getötet. Nach Angaben der Polizei hatte der Jugendliche die Be­am­t:in­nen mit einem Messer attackiert.

In den Tagen zuvor hatte Mouhamed D. mehrmals Suizidgedanken geäußert und war auf eigenen Wunsch in einer psychiatrischen Klinik. Der Betreuer der Wohngruppe, in der Mouhamed D. zuletzt lebte, hatte schon während des Notrufs eine mögliche Suizidgefahr angesprochen. „Wir sind empört darüber, dass eine suizidgefährdete Person nach einem Notruf auf elf Po­li­zis­t:in­nen trifft. Warum war keine psychische Betreuung vor Ort?“, sagte Melter.

Die Grünen halten sich bedeckt

CDU-Innenminister Herbert Reul hatte das Vorgehen der Polizei vergangene Woche öffentlich verteidigt. Die Grünen, Koalitionspartner der CDU, wichen Nachfragen der taz zu der geforderten Untersuchungskommission aus. Stattdessen teilte die Pressestelle mit, „die Aufklärung des konkreten Falls durch die zuständigen Stellen“ sei wichtig, und verwies auf die Pläne aus dem Koalitionsvertrag, die Position eines unabhängigen Polizeibeauftragten zu schaffen.

Gegen den Beamten, der geschossen hat, besteht der Verdacht auf Körperverletzung mit Todesfolge. Bislang war noch unklar, ob die Bodycams der eingesetzten Po­li­zis­t:in­nen eingeschaltet waren. Wie der Kölner Stadt-Anzeiger am Montagnachmittag berichtete, war dies wohl nicht der Fall.

Bei Ermittlungen in den eigenen Reihen ist es in Nordrhein-Westfalen Vorschrift, dass eine andere Polizeibehörde eingeschaltet wird. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft ermittelt die Polizei Recklinghausen. Die Dortmunder Polizei ermittelt gleichzeitig gegen ihre Recklinghäuser Kolleg:innen, da dort Anfang August ebenfalls ein Mann nach einem Polizeieinsatz ums Leben kam. In der Petition wird eine Erhebung des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2020 aufgeführt. Demnach landeten bei 4.565 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete genau 70 vor Gericht.

Eigentlich hätte Mouhamed D., der unbegleitet nach Deutschland gekommen war, am Montagvormittag in Dortmund beigesetzt werden sollen. Kurz vorher wurde die Beerdigung abgesagt, da die senegalesische Botschaft Verwandte des Waisen im Senegal ausfindig machen konnte. Sie hätten den Wunsch geäußert, Mouhamed D. im Senegal beizusetzen.

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