Einführung der Gasumlage: Teure Rettung für Gas-Konzerne

Die Gasumlage, mit der Importeure vor der Pleite geschützt werden sollen, fällt mit 2,4 Cent pro Kilowattstunde niedriger aus als befürchtet.

Robert Habeck mit Helm in der Hand beim Besuch eines Gasspeichers in Bad Lauchstädt

Muss eine „Zumutung“ verkünden: Robert Habeck beim Besuch eines Gasspeichers in Bad Lauchstädt Foto: Annegret Hilse/reuters

BERLIN taz | Robert Habeck scheint genau zu wissen, wie problematisch die Gasumlage für ihn werden kann. Als „Zumutung“ bezeichnete er die geplante Maßnahme am Montag in einem Statement. Schon kurz nachdem deren Höhe am Mittag von den Gasnetzbetreibern auf 2,4 Cent pro Kilowattstunde festgelegt worden war, hatte der grüne Wirtschaftsminister per Pressemitteilung eine ausführliche Rechtfertigung für diese umstrittene Entscheidung verschickt.

„Sie ist bei Weitem kein einfacher Schritt, aber notwendig, um die Wärme- und Energieversorgung in den privaten Haushalten und der Wirtschaft aufrechtzuerhalten“, wurde Habeck darin zitiert. Und um gar nicht erst den Eindruck aufkommen zu lassen, es sei die Bundesregierung, die hier zusätzlich an der Preisschraube dreht, führt er aus, bei wem er die Verantwortung für den Preisanstieg sieht: „Die Umlage ist eine Folge von Putins völkerrechtswidrigem Angriffskrieg auf die Ukraine und die von russischer Seite verursachte künstliche Energieknappheit.“

Das ist durchaus zutreffend: Mit der Umlage werden die Verluste jener Gas-Importeure ausgeglichen, die statt russischem Gas, das aufgrund langfristiger Lieferverträge billig wäre, jetzt weitaus teureres Gas auf dem sogenannten Spotmarkt kaufen müssen, wo kurzfristige Geschäfte stattfinden. Diese hohen Mehrkosten können die Importeure aber nicht sofort an ihre eigenen Kunden weitergeben, weil sie mit diesen ihrerseits langlaufende Verträge mit günstigen Konditionen vereinbart haben.

Bei vielen Importeuren entstehen darum derzeit jeden Tag Verluste in Millionenhöhe. Beim bekanntesten von ihnen, dem Energiekonzern Uniper, ist die Bundesregierung bereits eingestiegen, um seine Pleite zu verhindern. Ab Oktober sollen die Unternehmen nun für eineinhalb Jahre 90 Prozent dieser Mehrkosten umlegen können. Zwölf Unternehmen wollen diese Möglichkeit nutzen. Welche es sind, wurde zunächst nicht bekannt gegeben; RWE und Shell hatten bereits erklärt, wegen hoher Gewinne in anderen Bereichen auf ihren Anspruch zu verzichten.

Offen ist, ob die Mehrwertsteuer erhoben wird

Finanziert wird der Ausgleich für die Unternehmen über die neue Umlage, die vom 1. Oktober von allen Gaskunden bezahlt werden muss – egal woher ihr Gas tatsächlich stammt und unabhängig davon, ob sie noch eine Preisgarantie haben. Fernwärmenutzer sind zunächst nicht betroffen, obwohl auch dort Gas zum Einsatz kommt. Hier sind aber noch Änderungen geplant.

Robert Habeck, Wirtschaftsminister

„Die Umlage ist eine Folge von Putins völkerrechtswidrigem Angriffskrieg“

Die Zusatzkosten für einen Haushalt richten sich nach dem Gasverbrauch – und der ist wiederum davon abhängig, wie groß die Wohnung ist, wo sie im Haus liegt, wie gut das Haus gedämmt ist und wie effizient die Heizung arbeitet. In einer kleinen oder gut gedämmten Wohnung mit einem Verbrauch von 10.000 Kilowattstunden pro Jahr sind es 20 Euro pro Monat; in einer großen, schlechter gedämmten Wohnung oder einem Einfamilienhaus mit 25.000 Kilowattstunden Jahresbedarf sind es 50 Euro Mehrkosten pro Monat.

Noch offen ist, ob auf diese Summe noch die Mehrwertsteuer von derzeit 19 Prozent erhoben wird. Eine Ausnahme scheitert bisher an EU-Vorgaben. Doch Habeck kündigte an, die Regierung werde „einen Weg finden, um sicherzustellen, dass es da nicht noch zu einer zusätzlichen Belastung kommt“.

Statt einer zusätzlichen Belastung fordern Sozial- und Wirtschaftsverbände gleichermaßen eine stärkere Entlastung der Gaskunden, etwa durch eine Senkung der Mehrwertstauer auf den gesamten Gasverbrauch von 19 auf 7 Prozent. Denn tatsächlich kommen auf alle Gasverbraucher noch weitaus größere Probleme zu als die Gasumlage oder gar die Mehrwertsteuer darauf. Denn auch ohne die Umlage kommen die höheren Beschaffungskosten bei den Kunden an.

Wer aktuell einen neuen Gasvertrag für seine Heizung abschließt, zahlt mindestens 30 Cent pro Kilowattstunde. Vor einem Jahr lag dieser Preis noch bei 6 Cent. Von diesem gewaltigen Preisanstieg haben viele aber noch nichts mitbekommen – weil sie als Mieter den drastischen Preisanstieg erst mit deutlicher Verzögerung in ihrer Nebenkostenabrechnung wiederfinden oder ihre Verträge eine Preisgarantie beinhalten. Doch diese laufen bei Gasverträgen meist nur ein Jahr; sofern noch nicht geschehen, wird die marktgetriebene Preissteigerung, die ein Vielfaches der jetzt beschlossenen Umlage beträgt, darum spätestens in den nächsten Monaten bei allen Gaskunden ankommen.

Auch aus der Industrie kommen laute Beschwerden

Nicht nur Verbraucherschutz- und Sozialverbände fordern darum dringend eine Entlastung für betroffene Haushalte mit niedrigem Einkommen. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte, dass die Bundesregierung nicht gleichzeitig mit der Einführung der Umlage ein Entlastungsprogramm vorgestellt habe. „Die Ampel zeigt sich als die Koalition der schnellen Belastungen und des mangelnden Respekts“, sagte er. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete die Umlage als „Spaltpilz für die Gesellschaft“ und „Inflationsbooster“.

Auch aus der Industrie kommen laute Beschwerden. Auf seine Branche kämen durch die Umlage Mehrkosten in Höhe von 3 Milliarden Euro zu, warnte etwa der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup. Der Bundesverband der Deutschen Industrie forderte, „die besonders schutzbedürftigen Unternehmen zu unterstützen“.

Der Bundesverband Erneuerbare Energien drängt hingegen darauf, als Konsequenz aus den steigenden Gaspreisen vor allem den Ausbau alternativer Energien weiter zu beschleunigen. Und zumindest bei dieser Forderung gab es volle Zustimmung vom Wirtschaftsminister: Der Umstieg auf erneuerbare Energien müsse nun „in Windeseile“ vorangebracht werden, erklärte Habeck am Montag.

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