Vor dem Prozess Martin Kind vs. Verein: Showdown bei Hannover 96

Der Zoff beim Zweitligisten ist eskaliert. Am kommenden Dienstag verhandelt das Landgericht über die Absetzung von Geschäftsführer Martin Kind.

Ein buntes Grafitti "Hannover 96" auf einem Container, spiegelt sich in einer Pfütze

Spuren von Fans nahe des Stadions in Hannover. Der Verein kämpft vor Gericht um Macht bei den Profis Foto: Moritz Frankenberg/dpa

HANNOVER taz | Die Mehrheit der 49.000 Plätze in Hannovers Stadion blieb am Sonntag leer. Vermutlich lag das am eher unattraktiven Gegner oder an der Hitze. Oder aber an der allgemeinen Gemengelage: Rund um Hannover 96 bestimmt derzeit nicht das Sportliche, sondern ein Machtkampf die Schlagzeilen.

Dass im gestrigen Duell der 2. Fußball-Bundesliga mit Jahn Regensburg ein 1:0 gelang, erscheint angesichts des kommenden Dienstags zweitrangig: Dann geht es vor dem Landgericht Hannover um die Vorherrschaft bei Hannover 96. Ohne den Rechtsstreit zu dramatisieren: Verhandelt wird die Zukunft und Existenz des Vereins.

Auf eine richterliche Klärung warten zwei höchst unterschiedliche Rivalen. Der Vorstand des Vereins findet, dass Martin Kind als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH nicht mehr tragbar ist. Ende Juli hatte man ihn daher abgesetzt. Aktuell ist Kind dank einer richterlichen Verfügung allerdings noch im Amt.

Seit mehr als 20 Jahren hat mit Kind ein vermögender Unternehmer den Kurs des Vereins bestimmt. Unter seiner Regie ist ein kaum zu durchschauendes Geflecht aus Gesellschaften und Beteiligungen entstanden. Darin gibt es einen neuralgischen Punkt: Die Management GmbH ist die Schnittstelle zwischen denen, die Hannover 96 die nötige Finanzkraft für den Profifußball bescheren und denen, die die Interessen der normalen Mitglieder vertreten. Kind findet: Ihm und der Kapitalseite muss das letzte Wort gehören. Der Vorstand des Stammvereins hält mit Wucht dagegen.

Vorstand wirft Kind Vertragsverletzungen vor

Es war absehbar, dass der gärende Streit eines Tages eskaliert. Kind hat in den vergangenen Jahren an Macht und Zuspruch verloren. Seine Kritiker werfen ihm vor, dass er viel zu eigenmächtig handele. Das Landgericht Hannover wird auch zu prüfen haben, ob Kind gegen den sogenannten Hannover-96-Vertrag verstoßen hat, der das Miteinander zwischen Profigesellschaft und Stammverein regelt.

Der Vorstand des Vereins behauptet, dass Kind „mehrfach und gravierend gegen Weisungen und vertragliche Vereinbarungen verstoßen hat“. Ohne vertraglich geregelte Zahlungen droht dem Sportverein Hannover 96, dem immerhin rund 21.000 Mitglieder angehören, das finanzielle Aus.

Ob es richtig und zulässig war, ohne Votum des Aufsichtsrates den bisher nahezu alles entscheidenden Kind von seinem Posten als Geschäftsführer abzusetzen, darüber sollen Juristen entscheiden. Fragen zu den Vorwürfen gegen ihn mag der in der öffentlichen Wahrnehmung angeschlagene Entscheider mit Blick auf das schwebende Verfahren nicht beantworten.

Im Rahmen einer Presseinformation ließ er zumindest ankündigen, dass er gegen die aus seiner Sicht diskreditierenden Behauptungen juristisch vorgehen werde – „und zwar mit allen damit verbundenen Konsequenzen“.

Unklar ist, ob 96 sich an die 50+1-Regel hält

Das Armdrücken hinter den Kulissen des 1896 gegründeten Vereins könnte alles ins Wanken bringen. Theoretisch kann die Gerichtsverhandlung nämlich auch belegen, dass bei Hannover 96 gegen die von der Deutschen Fußball Liga vorgeschriebene 50+1-Regel verstoßen wird. Der Vorstand des Stammvereins hat seine Mitglieder wissen lassen, dass durch das Verhalten von Kind genau deshalb die Lizenz der Profifußballgesellschaft gefährdet werde.

Falls das stimmt, ist klar, warum das ehrenamtliche Gremium mit Sebastian Kramer als Vorstandschef an der Spitze so schwere Geschütze gegen Kind auffährt.

Fraglich bleibt, ob es den handelnden Personen auf Kapital- und Vereinsseite gelingen kann, sich zusammenzuraufen. Im Rahmen der Metamorphose des Sportvereins Hannover 96 in eine moderne Fußballfirma hat Kind viele Menschen wissen lassen, dass sie nicht seinen Anforderungen genügen. Sich mit einem wie Kramer an den Verhandlungstisch zu setzen, der einst Fanbeauftragter und Teil der harten Fanszene war, kann für den 78-Jährigen kein Vergnügen sein.

Aber Kind muss zur Kenntnis nehmen: In die vermeintlich entscheidenden 96-Gremien haben es Menschen geschafft, die vielleicht mehr Fans als Experten sind. Trotzdem haben sie das Recht, sein Handeln kritisch zu hinterfragen. Das Landgericht soll ihnen dabei helfen.

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