Saudischer Kronprinz in Frankreich: Rehabilitierung eines Geächteten

Frankreichs Präsident Macron empfängt den umstrittenen Kronprinzen Bin Salman. Das Protokoll stimmt, doch Menschenrechtsgruppen sind verärgert.

Emmanuel Macron beim Handshake mit Mohammed Bin Salman

Langer Handshake: Emmanuel Macron und Mohammed Bin Salman am Donnerstag in Paris Foto: Lewis Joly/ap

PARIS taz | Mit einem demonstrativ langen Händedruck hat der französische Staatspräsident Emmanuel Macron am Donnerstagabend den saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman auf den Stufen des Élysée-Palasts begrüßt. Der herzliche Empfang war alles andere als selbstverständlich, es war eine Geste der internationalen Rehabilitierung eines Geächteten.

In einem Untersuchungsbericht für die UNO hatte die Sonderbeauftragte Agnès Callamard aufgrund einer mutmaßlichen persönlichen Mitverantwortung des Kronprinzen an der Ermordung des Journalisten Jamal Kashoggi in der saudischen Botschaft von Istanbul 2018 weitere Ermittlungen verlangt.

Auch ein CIA-Dokument geht davon aus, dass das aus Mitgliedern der königlichen Garde rekrutierte Mordkommando aus Riad nicht ohne Zustimmung des Kronprinzen handeln konnte. „MBS“, wie der starke Mann des saudischen Königreichs genannt wird, war darum seither zumindest in den westlichen Demokratien offiziell nicht salonfähig.

Der Krieg in der Ukraine und die Krise der Energieversorgung haben die Ausgangslage verändert. Das Königreich Saudi-Arabien ist als Erdöllieferant und auch wegen seiner Rolle in der Golfregion und im Mittleren Osten sogar mehr denn je ein unentbehrlicher Partner.

Treffen kurzfristig angesetzt

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron war vorzeitig von seiner Afrika-Rundreise aus Guinea-Bissau zurückgekehrt, um den saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman am Donnerstag zu einem Dinner empfangen zu können. Das Treffen war ziemlich kurzfristig angesetzt und auch erst offiziell bestätigt worden, als sich der Kronprinz bereits in Athen, der ersten Station seiner Europa-Tournee, befand. Denn dieser Besuch ist nicht unumstritten.

Macron kann sich darauf berufen, dass vor dem Besuch des Kronprinzen in Paris bereits US-Präsident Joe Biden den Kontakt mit Riad gesucht hatte. Ohne großen Erfolg. Macron wollte es als Vermittler besser machen. Er hatte den Kronprinzen bereits im Dezember in Jiddah getroffen.

Er macht keinen Hehl daraus, dass er Saudi-Arabien zu einer massiven Erhöhung der Erdölproduktion drängt. Beim G7-Treffen Ende Juni in Bayern hatte Macron – hemdsärmelig im wörtlichen Sinne – Biden mitten in einem Gespräch unterbrochen, um mit ihm sogleich über seine diesbezüglichen Unterredungen mit Riad zu reden.

Mit dem umstrittenen Treffen hat Macron seine diplomatischen Bemühen mit den Golfstaaten fortgesetzt. Er hatte am 17. und 18. Juli bereits den Präsidenten der Emirate, Mohamed Bin Zayed al-Nayane, empfangen und wenige Tage danach den ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sissi. Macron hatte sich dabei ebenfalls über die Proteste von Menschenrechtsorganisationen hinweggesetzt.

Wichtige Kunden

Bin Zayed wie Sissi sind wichtige Kunden, sie haben je beim französischen Rüstungskonzern Dassault Dutzende von Rafale-Militärjets bestellt. Über beim Treffen mit MBS erwogene Verträge mit französischen Firmen wurde bislang nichts bekannt. In der Zeitung Le Monde meinte ein Experte der Golfregion, François Touazi: „Mit den gestiegenen Erdölpreisen sind die Kassen des Königreichs (Saudi-Arabien) voll. Unsere Unternehmen dürfen den Zug nicht verpassen!“

Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien haben gegen den Empfang von MBS besonders scharf protestiert. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Grünen (EELV), Yannick Jadot, ist außer sich: „Was stand auf dem Menü des Dinners von Emmanuel Macron und MBS? Der zerstückelte Leichnam des Journalisten Kashoggi? Das Klimachaos? Der Frieden und die Menschenrechte? Nein, genau das Gegenteil davon: Erdöl und Waffen!“

Premierministerin Elisabeth Borne wollte dagegen noch vor Bin Salmans Ankunft richtig stellen, dass bei diesem Besuch „Frankreichs Grundsätze nicht unter den Tisch gewischt“ würden und Präsident Macron sehr wohl die Absicht gehabt habe, die Frage der Menschenrechte im Königreich Saudi-Arabien mit seinem Gast anzuschneiden.

Bereits am Montag hatten zwei internationale NGOs, Democracy for the Arab World Now (DAWN) und Trial International, in der Kashoggi-Affäre in Paris gegen MBS Klagen wegen Beihilfe zu Folter und Entführung eingereicht. Falls sich die französische Justiz für zuständig erklären sollte, müsste MBS es sich wohl zwei Mal überlegen, bevor er einer herzlichen Einladung zu einem Besuch in Paris Folge leistet.

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