Eskalation im Gazastreifen: Denn sie wissen, was sie tun

Drei Monate vor den Wahlen haben die Angriffe Israels im Gazastreifen einen seltsamen Beigeschmack. Regierungschef Lapid gibt sich als Hardliner.

Gaza-Stadt am 6. August 2022 Foto: Ahmed Zakot/SOPA/ZUMA/dpa

Israel ist kriegserfahren im Konflikt mit den islamistischen Bewegungen im Gazastreifen. Politik und Militär wissen, was zu erwarten ist, wenn man Waffenlager bombardiert oder einen der führenden Köpfe „präventiv exekutiert“. Umgekehrt dürften die Kämpfer des Islamischen Dschihads keine Zweifel darüber haben, welche Risiken man mit Mörsergranaten auf das Umland des Gazastreifens oder Raketen auf Jerusalem eingeht. Die gegnerischen Parteien kennen sich zu gut, um noch überrascht zu sein.

So drängt sich der Gedanke auf, dass beide Seiten begründet motiviert sind für ihr gewaltsames Vorgehen. Bei den palästinensischen Extremisten reicht oft schon das Kommando aus Teheran, dem Hauptfinanzier, um Juden und Jüdinnen zu ermorden. In diesem Fall war zudem einer ihrer Anführer im Westjordanland verhaftet und schließlich ein Militärchef des Dschihads im Gazastreifen getötet worden. Da war Rache geradezu programmiert.

Es wirkt nicht wie ein Zufall, dass die israelischen SoldatInnen gerade jetzt auszogen, um Dschihadisten im Westjordanland dingfest zu machen, und dass die Luftwaffe das Kommando zur „präventiven Exekution“ bekam. Stattdessen kommt der unschöne Verdacht auf, es könne mit den für den 1. November geplanten Parlamentswahlen zusammenhängen.

Kaum zwei Monate ist Jair Lapid Regierungschef und möchte es gern über den Wahltermin hinaus bleiben. Will er den WählerInnen ein Signal geben, dass er in Sachen Kriegsführung genauso brachial vorgeht wie sein größter Konkurrent, nämlich Mr. Security, Benjamin Netanjahu? Auch die Rhetorik von Lapids sozialdemokratischen Verbündeten erinnert an die Zeit, als Netanjahu regierte. Dazu kommt, dass gerade jetzt Tausende radikal nationalistische Israelis auf den Tempelberg ziehen.

Stärke zeigen für WählerInnenstimmen – wie armselig wäre das und wie riskant. Ob gezielt provoziert oder nicht – die Botschaft dürfte bei den WählerInnen angekommen sein. Jetzt aber gilt es, ein rasches Ende der Eskalation zu bewirken. Je länger die Kampfhandlungen andauern, desto größer ist die Gefahr, dass die Hamas nicht länger stillhält. Die islamistische Führung im Gazastreifen will offensichtlich nicht mitkämpfen.

Das ist eine Chance. Es zeigt, dass es sich lohnt, wenn Israel mehr palästinensische Arbeiter einreisen lässt und mehr Waren, auch Baumaterial, in den Gazastreifen liefert. Hier gilt es, den nächsten Schritt zu tun und die pragmatischeren Kräfte im Gazastreifen zu unterstützen. Wer etwas zu verlieren hat, greift nicht so schnell zu den Waffen.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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