Machtkampf bei Hannover 96: Verein im Klammergriff

Der Vereinsvorstand von Hannover 96 will Martin Kind absetzen. Jetzt treffen sich der Verein und sein reicher Patriarch vor Gericht.

„Auf Wiedersehen!“ steht auf einem Schild über dem Logo von Hannover 96.

Auch sportlich lief es beim „kleinen HSV“ schon mal besser: Fußball-Zweitligist Hannover 96 Foto: picture alliance/dpa/Moritz Frankenberg

HANNOVER taz | Was die wohl von ihm halten? Amtsgericht, Arbeitsgericht, Landgericht: Wer in Hannover bei diesen Instanzen arbeitet, kennt den Namen Martin Kind bestens. Er füllt eine erschreckend lange Reihe von Aktenordnern und Datensätzen, die alle ein grundlegendes Problem bündeln. Kind glaubt unverdrossen, seit 1997 dem Sportverein Hannover 96 nur Gutes zu tun.

Der vermögende Hörgeräteunternehmer hat den einst maroden Klub in eine moderne Firma verwandelt – mithilfe von viel Geld, gleichgesinnten Gesellschaftern, einsamen Entscheidungen und auch so mancher Merkwürdigkeit. Eine davon landet in Kürze vor dem Landgericht Hannover. 16. August, Saal 127: Hier wird es um die Frage gehen, ob Kind Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH bleiben darf.

Die neue Saison hat gerade begonnen. Eine ausgegliederte Gesellschaft von Hannover 96 kickt in der 2. Fußball-Bundesliga. Dass das Juristische diesem Verein mehr Schlagzeilen als das Sportliche beschert, liegt vor allem an Kind. Der mittlerweile 78-Jährige hat Hannover 96 als Funktionär, Mäzen und Anteilseigner für das extrem teure Profigeschäft salonfähig gemacht. Daraus leitet er das Recht ab, nahezu alles bei 96 entscheiden zu dürfen.

Kind könnte ein gutes Vorbild sein, wenn er andere einbinden und Kritiker ernst nehmen würde. Den ehrenamtlichen Vorstand des eigentlichen Sportvereins Hannover 96 nimmt er offenbar überhaupt nicht ernst. Dafür droht eine bittere Quittung. Der Vorstand will Kind als Geschäftsführer absetzen, weil er vertraglich vereinbarte Zahlungen an den Stammverein zurückgehalten haben soll.

Der 96-Boss wehrt sich gegen solche Unterstellungen. Seine vom Vorstand gewollte Entmachtung ist aufgeschoben. Aktuell darf Kind dank einer vor Gericht erwirkten Verfügung bis auf Weiteres die Geschäfte führen. Das hält ihn im Amt.

Im echten Leben, also außerhalb des Sports, greift eine bessere Taktik. In die Unternehmensführung von Kinds Hörgeräteimperium ist Sohn Alexander längst eingebunden. Ein ähnliches Nachfolgermodell ist bei Hannover 96 nicht in Sicht. Der Traditionsverein ist in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten stark gewachsen. Ein extrem komplexes Firmengeflecht erschwert den Blick aufs Wesentliche. Die Kritiker von Kind möchten ihn daran erinnern, dass sie in Hannover 96 mehr einen Verein als ein Unternehmen sehen. Die Chance, ihn im Zusammenhang mit ihrem Lieblingsverein als Vorbild in Erinnerung zu behalten, ist längst vertan.

Wie geht das Kasperletheater wohl weiter? Falls Hannover 96 seinen bundesweiten Ruf als chronisch zerstritten loswerden will, muss die Zahl der Streitfälle vor Gericht deutlich reduziert werden. Ob und wie das geht, wird sich in Kürze zeigen. Dass Kind nicht mehr Geschäftsführer einer Vereinsgesellschaft sein darf, in der weitreichende Entscheidungen auch über eigenes Geld getroffen werden, passt gar nicht in sein Weltbild. Eigentlich nervt seine Bockigkeit.

Aber die Branche Profifußball kann davon jede Menge lernen. Die Personalie Kind ist ein weiterer Lackmustest dafür, wie viel Macht Investoren bei der Ausgestaltung einer Fußballfirma zugestanden werden sollte.

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