Umstrittene Namenspatrone: Uni Tübingen behält ihren Namen

Der Senat der Universität Tübingen hat beschlossen, dass sie weiter Eberhard-Karls-Universität heißen wird. Studierende wollten sie umbenennen lassen.

Gebäude der Uni Tübingen.

Behält seine Namenspatrone: Gebäude der Universität Tübingen

TÜBINGEN taz | Die Eberhard-Karls-Universität Tübingen behält ihren umstrittenen Namen. Im Senat der Hochschule stimmten am Donnerstagnachmittag nur 15 Mitglieder für einen von Studierenden eingebrachten Umbenennungsantrag. 16 votierten hingegen dagegen, Graf Eberhard im Bart und Herzog Karl Eugen von Württemberg aus dem Namen zu streichen, zwei Senatsmitglieder enthielten sich. Für eine Umbenennung wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig gewesen.

Graf Eberhard gründete die Universität 1477, Herzog Karl Eugen nannte sie 1769 so, wie sie auch heute noch heißt. Die Be­für­wor­te­r:in­nen einer Umbenennung hatten argumentiert, beide Potentaten seien aufgrund persönlicher und politischer Verfehlungen als Namensgeber einer Universität im 21. Jahrhundert ungeeignet.

So betrieb Graf Eberhard, geprägt von einem religiösen Antijudaismus, die „schleichende“ Ausweisung von Jüdinnen und Juden aus Württemberg. Eine testamentarische Bestimmung von ihm zu ihrer Vertreibung hatte „eine weitreichende Bedeutung für die von heftiger Judenfeindschaft geprägte Politik Württembergs seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert“, konstatiert ein Gutachten von His­to­ri­ke­r:in­nen, das der Senatsentscheidung vorausgegangen war. Von Karl Eugen heißt es wiederrum, er sei ein absolutistischer Herrscher gewesen, „der rücksichtslos sein Land und seine Untertanen ausbeutete“. So verkaufte er Soldaten ins Ausland, um seine Staatskasse aufzubessern.

Die Historiker:in­nen verwiesen allerdings auf die Bedeutung der beiden Herrscher für die Gründung und den Fortbestand der Universität. Auch seien Einstellung und Handeln der beiden typisch für die damalige Zeit gewesen. Ein eigenes Votum für oder gegen eine Uniumbenennung wollten die Gut­ach­te­r:in­nen nicht abgeben: „Hierzu gibt es auch innerhalb der Kommission unterschiedliche Auffassungen.“

Die Be­für­wor­te­r:in­nen einer Umbenennung zeigten sich von der negativen Senatsentscheidung enttäuscht. „Auch wenn der Antrag der studentischen Senatorinnen abgelehnt wurde, hoffen wir, dass sich die Universität weiterhin mit den Namensgebern beschäftigen wird“, teilte Johanna Grün, Senatorin und Vorsitzende der Verfassten Studierendenschaft, in einer Stellungnahme mit.

Immerhin habe der Name keine Mehrheit mehr im Senat, da nur 48,5 Prozent aktiv dafür gestimmt hätten. Dass zeige, „dass sich ein großer Teil der Universitätsgemeinschaft nicht mehr mit den bisherigen Namensgebern identifizieren kann“, so Grün.

Rektor Engler: „Menschen, die von ihrer Zeit geprägt waren“

Der Senat habe sich die nun vorliegende Entscheidung nicht leicht gemacht, teilte Universitätsrektor Bernd Engler in einer Pressemitteilung mit „Graf Eberhard und Herzog Karl Eugen waren Herrscherpersönlichkeiten, die bedeutendes geleistet haben, insbesondere für die Universität, aber auch für die Stadt Tübingen und die Region Württemberg“, so Engler. „Zugleich waren sie Menschen, die von ihrer Zeit geprägt waren, und zum Teil völlig inakzeptable Entscheidungen getroffen haben.“ Sie seien „Menschen mit Fehlern“ gewesen.

Die Universität möchte nun einen Lehrstuhl für jüdische Geschichte einrichten. Johanna Grün begrüßt das, sagt im Gespräch mit der taz aber auch: „Ich hoffe, dass der Lehrstuhl genügend Mittel zur Verfügung gestellt bekommt“. Im Großen und Ganzen sei die Debatte konstruktiv verlaufen, sagt sie.

Jedoch zeigt sich die Studierendenvertreterin enttäuscht von dem Verhalten des Rektors: „Engler hat ganz lange gesagt, er möchte in einer Moderationsrolle bleiben. Aber man hat gemerkt, dass er in eine Richtung tendiert“ – nämlich in die Richtung, die Uni nicht umzubenennen.

OB Palmer freut sich über „weise Entscheidung“

Im Vorfeld der Senatsabstimmung hatte es eine intensive Diskussion über die Stadtgrenzen Tübingens hinaus über die Umbenennungsinitiative gegeben. So plädierte Hanna Veiler, die Vizepräsidentin der jüdischen Studierendenunion Deutschland, in einem Gastkommentar in der taz entschieden für eine Namensänderung. Es sei „überfällig anzuerkennen, dass es schon lange vor dem Nationalsozialismus Hass und Ausgrenzung in der Stadt gab“, schrieb sie. Dabei wäre die Streichung des Namens „der angemessene erste Schritt“. Doch Veilers Appell blieb vergeblich.

Zustimmung zu der ablehnenden Entscheidung des Senats kommt aus der AfD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg. Deren bildungspolitischer Sprecher Rainer Balzer verlautbarte: „Hoffentlich hat die heftige Debatte dazu beigetragen, dass wir uns künftig wieder positiv auf die eigene Vergangenheit beziehen können.“

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer bezeichnete den Senatsbeschluss als „weise Entscheidung“. Er hatte sich zuvor vehement für die Beibehaltung des tradierten Namens ausgesprochen. Die Forderung nach einer Umbenennung der Uni entspringe „erkennbar der woken Cancel Culture, also dem Bedürfnis, sich selbst über andere zu erheben“, schrieb Palmer auf Facebook. Dabei seien die Belege für Eberhards Judenfeindschaft „im Kontext der Zeit keineswegs drastisch“.

Demgegenüber betonte Unirektor Engler, die Studierenden hätten mit ihrer Initiative eine wichtige Diskussion angestoßen, die deutlich gemacht habe, dass sich die Uni Tübingen intensiver als bisher mit ihrer Geschichte auseinandersetzen müsse. Gleichwohl bat er „alle Angehörigen der Universität Tübingen, aber auch alle Menschen, die der Hochschule seit langem verbunden sind, die nun getroffene Entscheidung zu respektieren“.

Das ist nicht unbedingt anzunehmen. Schließlich gibt es die Diskussion über die Eberhard-Karls-Universität bereits seit Jahrzehnten – mal mit größerer, mal minderer Intensität. So gab die damalige Studierendenvertretung schon Ende der 1970er Jahre der Hochschule ihren eigenen Namen: „Ernst-Bloch-Universität“ – in Gedenken an den aus einer jüdischen Familie stammenden marxistischen Philosophen.

Bloch, der sich 1933 vor den Nazis ins Exil retten konnte, lebte und lehrte von Anfang der 1960er Jahre bis zu seinem Lebensende 1977 in Tübingen. Bis heute kann sich diese Namensalternative einiger An­hän­ge­r:in­nen­schaft erfreuen.

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