Vor dem Mercosur-Treffen in Paraguay: Streit nach Alleingang Uruguays

Das Land will ein Freihandelsabkommen mit China und übergeht die Mercosur-Partnerstaaten. Brasilien könnte einlenken, Argentinien bleibt skeptisch.

Luis Lacalle Pou

Ist für ein Freihandelsabkommen zwischen China und Uruguay: Präsident Luis Lacalle Pou Foto: Henry Nicholls/reuters

BUENOS AIRES taz | Vor dem Gipfeltreffen der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur am Donnerstag in Paraguay sorgt ein Alleingang Uruguays für eine prickelnde Atmosphäre: Überraschend kündigte Präsident Luis Lacalle Pou vergangenen Mittwoch den Beginn formeller Verhandlungen über die Einrichtung eines Freihandelsabkommens zwischen China und Uruguay an.

Eine im September 2021 begonnene Machbarkeitsstudie sei gerade erfolgreich abgeschlossen worden, so Lacalle Pou, was das chinesische Handelsministerium tags darauf bestätigte. Man lege jetzt „großen Wert auf den Aufbau von Freihandelsbeziehungen mit Uruguay“, so Ministeriumssprecher Shu Jue Thing.

Bereits vor einem Jahr war Uruguay in Sachen Freihandelsabkommen mit China vorgeprescht, was zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Argentiniens Präsident Alberto Fernández und Luis Lacalle Pou führte. Auch diesmal schlägt Lacalle Pous Initiative hohe Wellen. „Solch ein Vorhaben muss vom Mercosur gebilligt werden, sonst verstößt es gegen das Konsensprinzip“, wetterte Argentiniens Außenminister Santiago Cafiero Anfang der Woche.

Auch in Paraguay verweist man auf die Statuten des Mercosur. „Uruguay hat eine Entscheidung getroffen, die nicht auf einem Konsens beruht“, erklärte Raúl Cano, der Vizeminister für Wirtschaftsbeziehungen. Bei externen Verhandlungen müssten zudem alle vier Vertragsstaaten anwesend sein, so Cano.

Absagen zweier assoziierter Staaten

Wie aufgeladen die Atmosphäre ist, zeigen die kurzfristigen Absagen der Präsidenten von Bolivien und Chile. Eigentlich wollten Luis Arce und Gabriel Boric als Staatsoberhäupter zweier assoziierter Mercosur-Staaten am Gipfel teilnehmen. Nach Lacalle Pous Ankündigung zogen sie sich diskret zurück.

Ganz anders reagierte dagegen Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. Noch vor einer Woche hatte Bolsonaro eine Gipfel-Teilnahme kategorisch ausgeschlossen. Am Wochenende ruderte er dann sanft zurück. „Ich würde hier im Morgengrauen aufbrechen, um am späten Nachmittag zurückzukehren. Eine eintägige Reise zu Ehren von Marito (Paraguays Präsident, Anmerkung d. Red), der wie ich Fallschirmspringer ist“, so Bolsonaro. Ob er tatsächlich kommt, ist offen.

Verwunderung auch in Uruguay

Überrascht hat Lacalle Pou mit seinem Vorstoß auch im eigenen Land. „Wir wissen nichts und sie wollen uns nichts sagen“, beklagte sich der Vorsitzende der Handelskammer Uruguay-China in Montevideo, Gabriel Rozman. Ohnehin verstehe man den gesamten Verhandlungsprozess nicht, so Rozman.

Kopfschütteln und Besorgnis gibt es auch bei den Gewerkschaften: „Das Problem geht tiefer, weil es die seit Jahren voranschreitende Deindustrialisierung Uruguays weiter vertiefen wird“, so Danilo Dárdano vom Gewerkschaftsdachverband PIT-CNT.

Ganze Sektoren würden schließen, weil es unmöglich sei, mit China zu konkurrieren. „Sie werden uns schlicht liquidieren“, so Dárdano. Statt Freihandelsabkommen auszuhandeln, sollte der Mercosur gestärkt werden. „Für ein Auto beispielsweise können wir in Brasilien den Motor herstellen, in Argentinien die Karosserie und in Uruguay die Reifen“, so Dárdano.

Uruguay leistet Überzeugungsarbeit

Davon unbeirrt setzt Uruguays Präsident auf den Freihandel mit China. Tatsächlich ist es Lacalle Pou gelungen, die Ablehnungsfront im Mercosur aufzuweichen. „Ich bin schon lange davon überzeugt, dass Uruguay Paraguays natürlicher Zugang zum Meer ist“, sagte er im Mai beim Staatsbesuch in Paraguays Hauptstadt Asunción und stellte dem Binnenstaat den Bau eines eigenen Verladehafens an der Atlantikküste in Aussicht.

Im Juni erklärte er sich zum wiederholten Male bereit, den brasilianischen Wunsch nach Senkung des gemeinsamen Außenzolls auf Importe aus Nicht-Mercosurstaaten zu unterstützen. Als Gegenleistung steht am Donnerstag die Flexibilisierungsfrage auf der Tagesordnung. Die Aussicht auf eine mögliche Senkung des Außenzolls könnte Bolsonaro letztlich zur Anreise bewegen.

Ablehnung aus Argentinien

All dem steht Argentiniens Präsident ablehnend gegenüber. Alberto Fernández sperrt sich gegen die Senkung des Außenzolls sowie die Aushöhlung des Konsensprinzips. Ersteres zum Schutz der ohnehin angeschlagenen Industrie im eigenen Land. Und letzteres aus Prinzip. Aber auch, weil er in der kommenden Woche zum Staatsbesuch nach Washington reist.

Bei US-Präsident Joe Biden muss er um Lockerungen bei der Schuldentilgung beim Internationalen Währungsfonds bitten, manche sagen gar betteln. Und ohne das Okay aus Bidens Finanzministerium geht da nichts. Da kommt es nicht gut, China gerade den Zugriff auf Südamerika erleichtert zu haben.

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