+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Geheimdienstchef Bakanow entlassen

Das ukrainische Parlament hat außerdem für die Absetzung der Generalstaatsanwältin gestimmt. Laut Kühnert träfe ein Gaslieferstop Deutschland deutlich härter als Russland.

Ivan Bakanov

Das ukrainische Parlament entlässt den Inlandsgeheimdienstchef Iwan Bakanow Foto: Ovsiannikova Yuliia/Ukrinform/ABACA

Russischer Angriff auf Zentrum von Kramatorsk

Das Zentrum der ostukrainischen Stadt Kramatorsk ist dem Bürgermeister zufolge vom russischen Militär angegriffen worden. Es gebe mehrere Opfer, teilt Olexandr Hontscharenko auf Facebook mit. Einzelheiten nennt er nicht. Ein Foto, das auf der Facebook-Seite des Bürgermeisters und des Stadtrates zu sehen ist, zeigt ein brennendes Wohngebäude. Der Gouverneur der Region Donezk, in der Kramatorsk liegt, berichtet auf dem Kurznachrichtendienst Telegram von einem Todesopfer. Es habe laute Explosionen gegeben, schreibt Pawlo Kyrylenko. (rtr)

Ukrainisches Parlament setzt Geheimdienstchef ab

Das ukrainische Parlament hat für die Entlassung von Inlandsgeheimdienstchef Iwan Bakanow und Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa gestimmt. Das teilten mehrere Abgeordnete am Dienstag mit. Hintergrund sind zahlreiche Verdachtsfälle von Landesverrat durch Mitglieder des ukrainischen Justiz- und Sicherheitsapparates.

Für die Entlassung von Bakanow stimmten den Angaben zufolge 265 Abgeordnete, für die von Wenediktowa 264 Parlamentarier. Für die Entlassungen waren jeweils mindestens 226 Stimmen erforderlich.

Präsident Wolodimir Selenski hatte den Chef des Inlandsgeheimdienstes SBU und die oberste Strafverfolgerin des Landes zunächst nur vorläufig ihrer Ämter enthoben. Das Parlament votierte nun für ihre definitive Absetzung. Am Montag hatte Selenski bereits den 39-jährigen Wasyl Maljuk zum amtierenden SBU-Chef ernannt. Dieser war bislang die Nummer zwei des Geheimdienstes. (afp)

Kühnert: Gas-Pipeline abschalten würde Deutschland härter treffen als Putin

Ein dauerhafter Ausfall der Ostseepipeline Nord Stream 1 würde Deutschland nach Worten von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert deutlich härter treffen als Russlands Präsident Wladimir Putin. Die Bundesregierung habe alles dafür getan, dass es „kein technisches Argument mehr für die russische Seite“ gebe, die Pipeline nicht wieder ans Netz zu nehmen, „auch durch die Bereitstellung der zuvor in Kanada gewarteten Turbine“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag dem Deutschlandfunk. Aber niemand würde „seine Hand ins Feuer legen wollen für politische Kräfte aus dem Umfeld von Wladimir Putin“, schränkte Kühnert ein.

Die große Sorge in Deutschland derzeit ist, dass Russland bei der Ostseepipeline Nord Stream 1 nach einer geplanten Wartung, die Ende dieser Woche vorbei sein könnte, den Gashahn nicht wieder aufdreht.

Die Kritik aus der Ukraine am Festhalten an der Pipeline sei verständlich, sagte Kühnert. Es gelte aber weiter die Devise der Bundesregierung, dass die Sanktionen gegen Russland Putin härter treffen müssten als Deutschland. Inzwischen sei völlig klar, dass die Gasversorgung für Deutschland keine Kleinigkeit sei, wie manche noch im März oder April geglaubt hätten.

„Insofern müssen wir hier einfach eingestehen: Diese Maßnahme, ein Abschalten dieser Nord-Stream-1-Pipeline, würde uns härter treffen als Putin – und zwar sehr deutlich“, sagte Kühnert. Es sei eine „traurige Wahrheit“, dass Deutschland vorerst noch auf russisches Gas angewiesen sei, um im Winter massive Probleme für Haushalte und Industrie abzuwenden. (dpa)

London: Russlands Militär hat wachsende Probleme

Das russische Militär hat nach Einschätzung britischer Geheimdienste mit wachsenden Schwierigkeiten in der Ukraine zu kämpfen. Schon seit Beginn der Invasion habe Russland Probleme gehabt, die offensive Schlagkraft seiner Truppen aufrechtzuerhalten, erklärt das Verteidigungsministerium in London unter Berufung auf Geheimdienstberichte. „Neben der starken Unterbesetzung haben die russischen Planer mit dem Dilemma zu kämpfen, ob sie Reserven in den Donbass verlegen oder sich gegen ukrainische Gegenangriffe im südwestlichen Cherson-Sektor verteidigen.“

Diese Probleme würden immer akuter. Auch wenn Russland weitere Geländegewinne erzielen könnte, komme der Vormarsch wahrscheinlich nur sehr langsam voran. (rtr)

SPD: Vor allem Industrie muss bei Gas sparen

Die SPD setzt bei Anreizen zum Einsparen von Gas laut Generalsekretär Kevin Kühnert vor allem auf Maßnahmen für die Industrie. Hier gebe es mehr Einsparpotenziale, sagte er im Deutschlandfunk. „Weil es einfach für viele Unternehmen ab einem gewissen Gaspreis lukrativer ist, sich eine Ausgleichszahlung geben zu lassen, als den laufenden Betrieb bei völlig überteuerten Energiepreisen weiterzuführen.“ Entlastungen für Bürger angesichts der hohen Gaspreise müssten gezielter sein. „Keine Entlastung mehr für Top-Einkommen in Deutschland, sondern zielgerichtet an die Haushalte, die wirklich ins Schwimmen geraten.“

Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer, fordert ein Belohnungssystem für das Energiesparen. „Jedes Gas, das wir jetzt nicht verbrauchen, geht in die Speicher und muss nicht zu teurem Weltmarktpreis eingekauft werden. Hier setzt auch das Modell des Energiesparbonus an, mit dem jede Energieeinsparung als Bonus zusätzlich belohnt wird“, sagt Scheer der Rheinischen Post. (rtr)

Weitere russische Bombardierungen

Die russischen Streitkräfte bombardierten ukrainischen Angaben zufolge in der Nacht weitere Städte in der gesamten Ukraine. Mehr als 150 Bomben und Granaten seien auf die Region Sumy abgefeuert worden, schreibt Dmytro Schywytzki, Leiter der Militärverwaltung der Region, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. „Sie feuerten Mörser, Kanonen- und Raketenartillerie ab. Die Russen eröffneten auch das Feuer mit Maschinengewehren und Granatwerfern.“

Auch die Stadt Mykolajiw stehe unter Beschuss mit Streugeschossen, wie der Bürgermeister der Stadt, Oleksandr Senkewytsch, in den sozialen Medien mitteilt. Mindestens zwei Menschen seien verletzt, Fenster und Dächer von Privathäusern beschädigt worden. In Odessa seien bei einem russischen Raketenangriff mindestens vier Menschen verletzt worden, Häuser seien niedergebrannt, berichtet ein Sprecher der Regionalverwaltung auf Telegram. (rtr)

Dröge für Uniper-Hilfe bei Gehaltsverzicht der Vorstände

Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Grüne/Bündnis 90, Katharina Dröge, spricht sich für Staatshilfen zugunsten des Gasimporteurs Uniper aus und bringt im Gegenzug einen möglichen Gehaltsverzicht der Vorstände ins Spiel. „Die Stabilisierung von Uniper ist auch entscheidend für die Stabilität der Stadtwerke und damit für die Gaspreise der Verbraucherinnen und Verbraucher“, sagt die Grünen-Politikerin der Rheinischen Post. Uniper beziehe noch viel Gas aus alten Verträgen zu günstigeren Konditionen. „Wenn diese wegfallen, steigen auch die Preise für die Stadtwerke.“ Auf die Frage, ob dafür die Dividenden ausfallen und die Vorstände auf einen Teil ihres Gehalts verzichten sollten, erklärt Dröge: „Grundsätzlich haben wir Grünen immer gesagt, dass Unternehmen, die umfangreiche staatliche Hilfen empfangen, auch einen Teil beitragen müssen. Das gilt auch für die Vorstände.“ (rtr)

Weitere Entlassungen im Geheimdienst der Ukraine

Nach der Freistellung von Geheimdienstchef Iwan Bakanow hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski 28 weitere Entlassungen in der Behörde SBU angekündigt. Die Führung in Kiew ist offensichtlich mit der Arbeit der eigenen Aufklärung unzufrieden und spricht von Verrat. Es gehe um unterschiedlich hohe Posten und Funktionen, „aber die Begründungen sind ähnlich: unbefriedigende Arbeitsergebnisse“, sagte Selenski in seiner täglichen Videoansprache am Montagabend. Am Vortag hatte er bereits seinen Geheimdienstchef und Jugendfreund Iwan Bakanow sowie die Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa suspendiert.

Nun stellte Selenski eine Revision der gesamten Arbeit des Geheimdienstes in Aussicht. Er hatte sich zuletzt verärgert darüber geäußert, dass mehr als 60 Mitarbeiter von SBU und Generalstaatsanwaltschaft in den besetzten Gebieten geblieben seien. Kiew wertet dies als Hochverrat. Medien verwiesen allerdings auch darauf, dass der 47-jährige Bakanow als Fachfremder nur wenig Autorität unter seinen Angestellten genossen habe. (dpa)

Selenskis Gattin in den USA

Selenskis Gattin, Olena Selenska, hat am Montag in den USA Außenminister Antony Blinken getroffen. Am Mittwoch will die ukrainische First Lady vor dem Kongress um weitere Hilfe bitten. Die USA sind der größte Waffenlieferant für die Ukraine. Der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte bedankte sich am Montag beim Vorsitzenden des US-Generalstabs Mark Milley für die Lieferung der Raketenwerfer Himars. Diese hätten dazu beigetragen, die Lage an der Front zu stabilisieren. (dpa)

Ungarn torpediert Russlandpolitik der EU

Die Sanktionspolitik der EU gegen Russland sorgt erneut für Diskussionen innerhalb der Staatengemeinschaft. EU-Chefdiplomat Josep Borrell kritisierte am Montag bei einem Außenministertreffen in Brüssel mit deutlichen Worten öffentlich geäußerte Zweifel am Kurs der EU. Zugleich machte er deutlich, dass die EU aus seiner Sicht an ihrer Politik festhalten wird. Bereits in dieser Woche soll eigentlich ein siebtes Sanktionspaket beschlossen werden, das unter anderem ein Gold-Embargo gegen Russland umfasst.

Ungarns Ministerpräsident Orbán hatte zuvor deutliche Kritik an der Sanktionspolitik der EU geübt – obwohl die Sanktionen nur einstimmig, also nur mit ungarischer Unterstützung beschlossen werden können. Anfänglich habe er noch geglaubt, man hätte sich nur „ins eigene Knie geschossen“, jetzt sei aber erkennbar, dass es ein Schuss in die Lunge der europäischen Wirtschaft gewesen sei, die jetzt überall um Luft ringe, sagte Orbán am Freitag im ungarischen Radio. (dpa)

US-Abgeordnete für Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens

Das US-Repräsentantenhaus unterstützt einen Beitritt Finnlands und Schwedens zur Nato. Die Abgeordneten votierten am Montagabend (Ortszeit) mit 394 zu 18 Stimmen für eine entsprechende Resolution. Darin bringen sie ihre Unterstützung für die „historische Entscheidung“ Finnlands und Schwedens zum Ausdruck und fordern alle Nato-Mitglieder auf, die Beitrittsprotokolle zügig zu ratifizieren. Vor zwei Monaten hatten Finnland und Schweden nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Aufnahme in das Verteidigungsbündnis beantragt. Die Hälfte der Nato-Staaten hat den Beitritten nach Angaben aus Stockholm bereits zugestimmt. (dpa)

Russland stellt Ukraine härtere Bedingungen in Aussicht

Russland hat der Ukraine im Fall einer Wiederaufnahme von Friedensgesprächen härtere Bedingungen als zuvor in Aussicht gestellt. Bei den Verhandlungen im März in der Türkei seien konkrete Resultate erzielt worden, ehe Kiew den Kontakt abgebrochen habe, klagte Juri Uschakow, ein Berater von Russlands Präsident Wladimir Putin, am Montag der Nachrichtenagentur RBK zufolge. „Wenn jetzt also die Verhandlungen wieder aufgenommen werden, dann zu völlig anderen Bedingungen“, sagte Uschakow – ohne Einzelheiten zu nennen. (dpa)

Kriegskritiker in Russland im Visier

Die russischen Behörden gehen hart gegen Kriegskritik im eigenen Land vor. Nach Angaben des Bürgerrechtlers Pawel Tschikow haben Innenministerium, Ermittlungskomitee und der Geheimdienst FSB inzwischen 200 Strafverfahren gegen Kriegsgegner eröffnet. In vielen Fällen dient das im März im Eilverfahren durchgebrachte umstrittene Fake-Gesetz als Grundlage für die Strafverfolgung. Insgesamt greifen die Behörden aber auf 22 verschiedene Paragrafen zurück, um Kritik am Krieg, der in Moskau nur „militärische Spezialoperation“ genannt werden darf, zu unterdrücken. (dpa)

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