Physiker über Heizen mit Wasserstoff: „Leider illusorisch“

Wärmepumpen beheizen Gebäude effizienter, sagt der Physiker Gerhard Stryi-Hipp. Leitungen von Erdgas auf Wasserstoff umzustellen, sei nicht sinnvoll.

Mann in Schutzmontur vor unverständlicher blauer Technik

Wenn erhältlich, die bessere Lösung: Wärmepumpenanlage bei Vattenfall Foto: Monika Skolimowska/dpa

taz: Herr Stryi-Hipp, stellen Sie sich vor, ich wäre Hausbesitzerin und würde Sie fragen, ob ich, statt eine unendlich teure Wärmepumpe einzubauen nicht einfach meine Gasheizung fit für den Wasserstoffbetrieb machen könnte. Was würden Sie antworten?

Gerhard Stryi-Hipp: Dass ich Ihr Anliegen natürlich nachvollziehen kann, dass Ihre Idee aber leider illusorisch ist. Unsere Gebäudeheizungen großflächig von Erdgas auf Wasserstoff umstellen, das ist technisch und ökonomisch nicht sinnvoll. Studien dazu zeigen, dass eine starke Elektrifizierung des Wärmesektors notwendig ist, um die Klimaneutralität mit hohen Anteilen an in Deutschland erzeugten erneuerbaren Energien zu erreichen. Die Frage ist nicht, ob wir Heizen und Kühlen elektrifizieren, sondern wie schnell und bis zu welchem Umfang.

Der Diplom-Physiker leitet die Arbeitsgruppe „Smart Cities“ am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg.

Aber wenn es technisch möglich wäre, wäre es nicht praktisch, klimaneutralen Wasserstoff in der vorhandenen Erdgas-Infrastruktur zu verwenden?

Technisch ist es grundsätzlich möglich. Wasserstoff ist zwar wesentlich flüchtiger als Erdgas und führt leichter zu Versprödungen des Materials. Aber man könnte die Erdgas-Leitungen und die Geräte durch Umbauten wasserstofftauglich machen. Es gibt heute schon Heizgeräte, die Wasserstoff-„ready“ sind, also sowohl mit Erdgas als auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Die Herausforderung ist: Man braucht ein Konzept für die Umstellungsphase. Wenn an einem Tag X von Erdgas auf Wasserstoff oder zuerst auf eine Mischung umgestellt wird, müssen alle Leitungen und angeschlossene Haushalte mit ihren Geräten bereit sein, Wasserstoff oder die Mischung zu führen und zu nutzen. Es wäre eine große logistische Herausforderung, das zu organisieren. Teilweise wird man deshalb vermutlich parallele Strukturen aufbauen.

Wo könnte sich das lohnen?

Eventuell in Regionen, in denen viel Industrie sitzt, die künftig auf Wasserstoff angewiesen ist und ihn nutzen wird, etwa chemische und stahlherstellende Betriebe. In diesen Gegenden müssen wir sowieso eine entsprechende Infrastruktur aufbauen und könnten dort die umliegenden Gebäude mit Wasserstoff zur Wärmeerzeugung versorgen. Aber das ist ein Gedankenspiel, denn die technische Versorgung ist ja nur ein Problem.

Was denn noch?

Die direkte Nutzung des Stroms zur Wärmeerzeugung ist wesentlich effizienter als Wasserstoff. Wenn wir erneuerbaren Strom in Wasserstoff umwandeln, haben wir dabei heute Energieverluste von 30 bis 40 Prozent. Rechnen wir technischen Fortschritt hinzu, werden in ein paar Jahren 30 Prozent im Schnitt erreicht. Das heißt, aus einer Kilowattstunde Strom aus Wind- und Sonnenenergie erhalten Sie 0,7 Kilowattstunden Wärmeenergie bei einer sehr effizienten Verbrennung. Künftig – heute sind wir noch schlechter. Eine Wärmepumpe erzeugt aus einer Kilowattstunde Strom dagegen drei bis fünf Kilowattstunden Wärme. Sie müssten also, um eine Kilowattstunde Wärme aus Wasserstoff zu produzieren, etwa sechsmal mehr Windräder und Solarpanele installieren, als wenn der Strom direkt eine Wärmepumpe antreibt.

Wieso gibt es denn dann den Wasserstoff-Hype?

Wir werden enorme Mengen brauchen, auch wenn wir ihn nicht verheizen. Die Verwendung als Rohstoff und als Prozessenergie in der Industrie hatte ich schon genannt. Abgesehen davon können wir Strom nicht über längere Zeiträume in Batterien speichern, das geht nur mit Gas. Wir haben zwar genügend Potenzial, mit Wind und Sonne unseren Strombedarf zu decken. Aber für die Zeiten der Dunkelflaute im Winter, wenn die Sonne nicht scheint und über mehrere Wochen Windstille herrscht, brauchen wir Gasspeicher. Das kann Wasserstoff sein, der dann in die Stromerzeugung geht. Wenn man das also abschichtet, kommt heraus: Erst die Industrie, dann die Stromerzeugung und was dann übrigbleibt, könnte – unter anderem – für Wärme zur Verfügung stehen.

Macht es denn dann Sinn, von „Technologie-Offenheit“ in der Wärmewende zu sprechen?

Aus wissenschaftlicher Sicht macht Technologieoffenheit immer Sinn. Das darf allerdings nicht missverstanden werden. Denn es besteht die Gefahr, dass die politischen Akteure nicht die notwendigen Entscheidungen für eine massive Beschleunigung der Einführung von Wärmepumpen treffen, weil sie sich auf die potenzielle technische Option der Wasserstoffheizung verlassen. Das wäre fatal, denn es ist eigentlich ganz klar: Wenn wir unseren Gebäudebestand im Laufe der 30er Jahre klimaneutral bekommen wollen, müssen wir den Fokus auf Wärmepumpen setzen. Um auf Ihre Eingangsfrage zurückzukommen: Warten Sie nicht auf Wasserstoff, investieren Sie in eine Wärmepumpe. Ihre Einführung wird jetzt gefördert, künftig wird sie günstiger werden und dann werden auch die Fördermittel abnehmen.

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