Geschichten der Gäste: Sie ist Holmes, ich nur Watson

Seit unser Autor weiß, dass jede Zimmerfrau eine forensische Detektivin ist, wird er seinen Müll nie wieder im Hotel liegen lassen.

Eine Hotelfachangestellte schüttelt das Bett aus

Gäste hinterlassen so allerlei Spuren Foto: Steffen Schellhorn/epd/imago

Nie mehr werde ich ein Hotel oder eine Pension so betreten können wie noch vor ein paar Monaten. Das hat nur einen Grund, und der heißt Petra. Unsere Zimmerfrau sieht alles.

Ich bin so ein Anfänger. Wenn ich nach der Abreise von Gästen in ihr Zimmer gehe, dann spüre ich gerade noch den fremden Schlaf, der langsam aus der Bettwäsche weicht. Das Bad atmet noch feucht, ich erkenne, ob die Gäste ihre eigene oder unsere Hotelseife benutzt haben – meist ist es unsere. Aber sehr viel mehr sagt mir das Zimmer nicht.

Ganz anders Petra. Jedes Zimmer erzählt ihr Geschichten. Über das Aussehen der Gäste etwa, und zwar weit mehr als Bartstoppeln im Waschbecken oder Haare in der Duschwanne: Vielsagend sind etwa Schuhabdrücke auf der Bettwäsche. Das kommt gar nicht so selten vor und sagt etwas über Körpergröße, Geschlecht und im Falle von Profilsohlen über Freizeitverhalten.

Mrs Holmes weiß auch, ob Gäste Hundebesitzer sind, selbst wenn sie ihr Tier nicht mitgebracht haben. Wie sie das macht? Hundehaare auf der Kofferablage, sonst aber nirgendwo im Zimmer sind ein untrüglicher Hinweis.

Diese Geschichten über Menschen, die Petra selten zu Gesicht bekommt, sind knackig. So laden Körperabdrücke auf dem Glas der Duschkabine oder auch lose gewordene Türflügel des Spritzschutzes zu allerlei wilden und mitunter schlüpfrigen Spekula­tio­nen ein.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

„Grobmotoriker“ ist Petras Kommentar, wenn ein Gast beim Schließen der Vorhänge die Gardinenstange halb aus der Verankerung gerissen hat, „Homöopath“, wenn der Fernseher ausgesteckt wurde oder „Sauigel“ bei nämlichen Schuhabdrücken. Den Inhalt der Mülleimer lasse ich jetzt mal außer Acht, nur so viel: Müll werde ich künftig nie mehr in Hotelzimmern hinterlassen.

Interessant ist auch, was sich Gäste für den Aufenthalt im Hotel mitbringen, was man dann bei der Zwischenreinigung sieht. Neben dem eigenen Fön werden Minitauchsieder, tragbare Kühlschränke oder auch ein Joghurtgerät an die Steckdose angehängt. Schlaf in fremden Betten zu finden, scheint für viele Menschen nicht leicht.

Sie haben nicht nur eigene Kissen dabei, sondern auch Bettdecken, manchmal sind es auch nur die Überzüge, die getauscht werden. Auch die Glühbirnen sind schon von Gästen gewechselt oder die Batterien aus dem Rauchmelder ausgebaut worden, um das offenbar schlafraubende Blinken der Alarmgeräte über dem Bett abzustellen. Für all das hat die Zimmerfrau Verständnis, über „Leichtschläfer“ machen wir keine Witze.

Inzwischen erfahre ich über die Zimmer unserer Gäste, wenn überhaupt, erst nach deren Abfahrt. Ich habe darum gebeten. Denn ich habe ständig mit diesen Menschen zu tun. Und manche Bilder kriegt man einfach nicht mehr aus dem Kopf.

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