Staatstreue Medien in Russland: Neue Narrative für den Krieg

In einer Handreichung an staatstreue Medien gibt die russische Regierung vor, wie über den Krieg in der Ukraine berichtet werden soll.

Soldaten vor einem Wohnhaus.

Die russische Regierung möchte ihre Soldaten als Befreier dargestellt sehen Foto: ap

Je länger sich Russlands Krieg gegen die Ukraine hinzieht, ohne dass nennenswerte „Erfolge“ zu verzeichnen wären, desto mehr gerät der Kreml gegenüber der eigenen Bevölkerung in Erklärungsnot. Das ist wohl mit ein Grund dafür, dass auch die staatlichen Medien, ohnehin schon an vorderster Front für die „Spezialoperation“ unterwegs, jetzt noch einmal kräftig nachrüsten sollen.

Das zeigen zwei Handreichungen aus der russischen Präsidialverwaltung von Mitte Juli. Sie legen fest, wie fortan über den Krieg, der offiziell so nicht heißen darf, berichtet werden soll. Die Anweisungen liegen der Redaktion der russischen oppositionellen Webseite Meduza vor, die ihren Sitz in Lettlands Hauptstadt Riga hat.

Um den Ukrainekrieg zu rechtfertigen und den Rus­s*in­nen dessen Ziele näher zu bringen, werden in den Handreichungen zwei Bespiele aus der älteren russischen Geschichte be­müht:­ die Annahme des orthodoxen Christentums im Jahr 988 unter Großfürst Wladimir dem Großen (Taufe der Rus) sowie die Schlacht an der Newa 1240. Aus dem Gemetzel zwischen schwedischen Truppen und der Leibgarde des russischen Fürsten Alexander Jaroslawitsch ging Letzterer als Sieger hervor.

Historische Ereignisse als Vorlage

Wie die Taufe der Rus lege auch der Krieg gegen die Ukrai­ne die staatlichen Grundlagen für Russland sowie für dessen Entwicklung in den nächsten Jahrhunderten, erfahren interessierte Leser*innen. Dieser Umstand sei dem Zusammenhalt der Gesellschaft zu verdanken, die sich um die Armee und den strategischen Kurs des Präsidenten schare: „Russland kann wieder seine Mission erfüllen – die Unterdrückten zu verteidigen.“

Die Frage, wer schuld ist an diesem Krieg, bleibt nicht unbeantwortet: der „kollektive Westen“. Seit Menschengedenken trachte er danach, Russland einzudämmen, zu schwächen, zu zerstückeln und vollständig zu zerstören – vor allem, um sich Zugang zu wichtigen Ressourcen zu verschaffen. Mit seinen Waffenlieferungen an die Ukrai­ne wolle der Westen das Land zu einem Vorposten machen, um Russland anzugreifen, heißt es in den Papieren der Präsidialverwaltung.

Als ein Ziel der „Spezialoperation“ wird der Kampf gegen Ungläubige genannt. Dazu gehören auch die ukrainischen Soldaten, die Ritualmorde begingen sowie Frauen und Kinder als menschliche Schutzschilde benutzten: „Für die Ukrnazisten existiert keine Moral, für ihre Gräueltaten fürchten sie die Strafe Gottes nicht. Viele von ihnen sind offene Satanisten und Anhänger menschenfeindlicher Sekten.“

Angriffskrieg als „Präventivschlag“

Als wäre der Kampf gegen die Ungläubigen nicht schon Kriegsgrund genug, bringen die Autoren der „Presserichtlinien“ noch ein weiteres Argument an: In Wahrheit sei der Ukrainekrieg auch als „Präventivschlag“ zu verstehen. „Die Führung Russlands und persönlich Wladimir Putin haben einen Angriff auf Russland nicht zugelassen. Die Entscheidung, mit der Spezialoperation gegen die Ukraine zu beginnen, hat es möglich gemacht, eine Wiederholung des 22. Juli 1941 zu verhindern, als nazistische Truppen russisches Territorium angriffen“, ist in den Handreichungen zu lesen.

Die werden als Stichwortgeber von staatstreuen Medien bereits eifrig genutzt. So lässt das Webportal Gazeta.ru in einem Beitrag vom 28. Juli mit dem Titel „Die Taufe Russlands und die Spezialoperation der Ukrai­ne: Was haben sie gemeinsam?“ Experten zu Wort kommen. „Das Kiewer neonazistische Regime hat acht Jahre friedliche Bür­ge­r*in­nen im Donbass bombardiert und mehr als 14.000 Menschen getötet, darunter Hunderte unschuldiger Kinder“, erläutert der Politologe Alexander Rudakow. Auch das Portal FederalPress widmet sich der Erzählung, ebenfalls am 28. Juli, unter der Überschrift „Durch Glauben, Feuer und Schwert“: Von der Taufe der Rus zur Spezialoperation“. Hier finden sich gleich mehrere Absätze, die wörtlich von der Vorlage übernommen sind.

Die staatlichen Medien könnten im Kontext des Ukraine-kriegs zu noch weiteren Geschichtsstunden verdonnert werden. So jedenfalls zitiert das Portal Meduza die Einschätzung zweier Quellen aus dem Umfeld der Putin-Verwaltung, die namentlich jedoch nicht genannt werden: „Intrigen des Westens sind überall zu finden.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.