Rolle von Taiwans Chipindustrie: Systemrelevant für die Welt

Zwei Drittel des weltweiten Bedarfs an Halbleitern werden in Taiwan produziert. Bricht dort die Chipindustrie zusammen, sind die globalen Folgen immens.

Ein Mikrochip

Wer ihre Herstellung beherrscht, hat bei Zukunftstechnologien die Nase vorn: Mikrochips aus Taiwan Foto: Nicky Loh/reuters

BERLIN taz | Sie stecken in Smartphones, Laptops, Haushaltselektronik, sind für Industrieanlagen, die Autoindustrie oder den Bau von Waffen unverzichtbar. Halbleiter, im Jargon besser bekannt als Mikrochips, gelten als die Herzstücke moderner Industrieprodukte. Wer ihre Herstellung beherrscht, hat bei Zukunftstechnologien die Nase vorn.

Das Problem: Nur ein Bruchteil der weltweit verbauten Mikrochips kommt aus Europa. Gemessen an den Umsatzzahlen ist der Anteil sogar so klein, dass er in der Statistik unter „Sonstige“ verschwindet. Die USA tauchen immerhin mit einem einstelligen Prozentbetrag auf. Kurz gesagt: Fast alle Chips kommen aus Asien. Und zwei Drittel der besonders kleinen und hochwertigen Halbleiter aus dem kleinen Inselstaat Taiwan.

Allein TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturin Company), der größte und fortschrittlichste Auftragsfertiger für Halbleiter, hält laut dem US-amerikanischen Medienunternehmen Bloomberg rund 53 Prozent am Weltmarkt. Samsung aus Südkorea folgt weit abgeschlagen auf den zweiten Platz. Nummer 3 wird wieder von einem taiwanischen Unternehmen besetzt. TSMC ist systemrelevant für die gesamte Weltwirtschaft.

Was die Bauteile von TSMC so schwer ersetzbar macht: Kein anderer Fertiger kann so winzige und zugleich so komplexe Chips herstellen wie das Unternehmen aus Taiwan. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung der Chips selbst, auch die Produktion in großer Stückzahl bei Einhaltung hoher Qualitätskriterien ist aufwendig. Während etwa die US-Konkurrenz von Intel noch an Produktionsgrößen im 7-Nanometer-Verfahren bastelt, fertigt TSMC schon jetzt zwei Nanometer kleiner. Je weniger Nanometer die Strompfade breit sind, desto schneller und effizienter rechnen die Bauteile. Spätestens 2023 soll in Hsinchu, dem TSMC-Hauptsitz im Nordosten der Insel, die erste 3-Nanometer-Fabrik in Betrieb gehen.

Taiwan ist einfach zu überlegen

Die aufwendige und kostenintensive Forschung schreckt viele Privatunternehmen davor ab, an die Spitze der Chipindustrie vorzustoßen. Taiwan ist da einfach zu überlegen. China und die Europäer bewegen sich bei ihrer Produktion bislang eher im Bereich von 14 Nanometern. Für die Herstellung des smarten Kühlschranks mögen diese Anforderungen genügen. Für die Hochtechnologie jedoch nicht. Kürzlich nannte der koreanische Wirtschaftsprofessor Keun Lee Chips der älteren Generation als „fast wertlos“.

Diesen technologischen Vorsprung werden sich die Taiwaner so schnell nicht nehmen lassen. Zwar haben die USA, China und auch die EU erkannt, wie wichtig die Halbleiterindustrie für ihre Volkswirtschaften ist und setzen derzeit alles daran, ihre technologische Position zu stärken. Um ihre Abhängigkeit von Taiwan zu verringern, investieren sie nun etwa mit eigenen Förderprogrammen massiv in diese Technologie. Doch investiert TSMC selbst kräftig weiter in die Forschung. Das Moore’sche Gesetz (benannt nach dem Intel-Mitbegründer Gordon Moore) besagt, dass sich die Anzahl der Komponenten auf einem integrierten Schaltkreis ungefähr alle zwei Jahre verdoppelt. Zumindest bislang war TSMC stets in der Lage, dieses Gesetz einzulösen.

Was den Taiwan-Konflikt aktuell gerade auch für den Rest der Welt so bedrohlich macht: Peking müsste Taiwan gar nicht militärisch angreifen, um der dortigen Chipindustrie massiv zu schaden. Es würde allein reichen, wenn die chinesische Führung Taiwans Handelswege abschneidet – sei es weite Teile des Luftraums oder des Südchinesischen Meeres, durch das inzwischen über die Hälfte des weltweiten Tanklastverkehrs geht. Hinzu kommt, dass Taiwans Chip­industrie selbst mit der Volksrepublik eng verwoben ist. Rund 8.000 taiwanische Unternehmer arbeiten auf chinesischem Festland, darunter der Apple-Auftragsfertiger Foxconn, ein Großauftragnehmer der taiwanischen Chiphersteller. Auch einige ihrer Zulieferer befinden sich in der Volksrepublik.

Diese Abhängigkeit galt bislang als Garant dafür, dass Peking selbst kein Interesse an einer Zuspitzung des Konflikts mit Taiwan hat. Doch sind sich viele Beobachter darüber längst nicht mehr so sicher.

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