Internationale Klima-Abkommen: Wir sind nicht vorbereitet

Auf der internationalen Bühne spielt die Klimakatastrophe zurzeit nur eine Nebenrolle. Das muss sich ändern: Die Industrienationen sind gefragt.

Ein Mann steht inmitten zerstörter Häuser

Zerstörte Häuser nach den schweren Regenfällen in Umgababa, Südafrika Foto: ap

Von der Coronapandemie über Russlands Krieg in der Ukraine hin zu einer beispiellosen Inflation und drohenden Hungerkatastrophe: Je mehr Krisen auftauchen und die Verantwortlichen in Politik und Medien auf Trab halten, desto stärker rückt das Thema Klimaschutz auf der internationalen Agenda in den Hintergrund. Selbst eingeschworene Klimaaktivisten stehen nun vor der Frage, wie sie weiterhin überzeugend auf die dringend notwendigen Maßnahmen für einen gerechten Umstieg auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft pochen können.

Doch auch wenn Schlagzeilen regelmäßig wechseln und immer neue Krisen erschütternd sind – das Klima sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden. Die Klimakrise ist ein Dauerzustand; sie verschärft sich rasant und erfasst alle Bereiche unseres wirtschaftlichen und so­zia­len Lebens. Und aus eben diesem Grund sollten wir die aktuelle Reihe globaler Krisen unter dem Aspekt des Klimas betrachten.

Der Glasgower Klimapakt liegt mittlerweile praktisch am Boden, und es ist klar, dass etwas geschehen muss. Ende Juni hätte der G7-Gipfel in Deutschland eine hervorragende Chance geboten, den Kampf gegen die Klimakatastrophe wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Doch auch hier versagten die weltgrößten Emissionsländer. Sie gaben eine vage Erklärung ab, in der sie versprachen, „zusammenzuarbeiten, um einen sauberen und gerechten Übergang zur Klimaneutralität zu beschleunigen und gleichzeitig die Energiesicherheit zu gewährleisten“.

Tatsächlich aber haben sie sich für den einfachen Weg entschieden, indem sie die Klima­resi­lienz auf die lange Bank schoben und der kurzfristigen Sorge um steigende Ölpreise den Vorrang gaben. Das Resultat liegt auf der Hand: ein Ausbau fossiler Brennstoffe, der steigende Emissionen in den wohlhabenden Staaten und prekäre Verhältnisse in armen Ländern nach sich zieht.

Nicht den Kopf in den Sand stecken

Damit nehmen die G7-Staaten in Kauf, dass sich die Lebensumstände all jener verschlechtern, die den Klimarisiken am stärksten ausgesetzt sind – und das nur wenige Monate vor der nächsten UN-Klimakonferenz im ägyptischen Scharm al-Scheich (COP27) im November.

Unsere Verantwortlichen in der Politik dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken. Wenn wir die globalen Treibhausgasemissionen nicht jetzt deutlich reduzieren, werden wir nie in der Lage sein, dieses Ziel zu erreichen. Die Dringlichkeit, die in den jüngsten Berichten des Weltklimarats zum Ausdruck kommt, verdeutlicht die Notwendigkeit sofortigen Handelns.

Jeden Tag sehen wir in den Nachrichten, wie die Klimakrise die Lebenssituation einiger der am meisten gefährdeten Gemeinschaften der Welt zusehends verschlechtert. Diese Menschen tragen kaum Verantwortung für die Erderhitzung. Als im April schwere Überschwemmungen und Erdrutsche in Südafrika zum Tod von mindestens 443 Menschen und Vertreibung von mehr als 40.000 führten, erwähnten viele internationale Medien nicht einmal das Wort „Klimawandel“.

Derartige Naturkatastrophen ereignen sich indes nicht nur in weit entfernten Ländern. In Deutschland und Belgien richteten im vergangenen Jahr Überschwemmungen verheerende Schäden an, bei denen mindestens 180 Menschen ums Leben kamen; ganze Ortschaften wurden überflutet, Bahngleise weggeschwemmt. In den kommenden Jahren werden wir vermehrt und in beschleunigtem Tempo mit solchen Katastrophen konfrontiert werden – und wir sind überhaupt nicht darauf vorbereitet.

Das Finanzpaket der G7 reicht nicht aus

Aktuell stellen wir jedoch fest, dass viele Länder ihren Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung nicht nachkommen – insbesondere diejenigen, von denen man eine Vorreiterrolle erwartet hatte. Laut UN-Generalsekretär António Guterres lügen einige dieser Länder schlichtweg, wenn es darum geht, die angestrebte Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius einzuhalten.

Auch das Finanzpaket der G7 greift zu kurz und kommt zu spät, zumal die angekündigten Finanzierungsquellen nicht wirklich als neu zu bezeichnen sind. Solche widersprüchlichen Verhaltensweisen untergraben das Vertrauen und schwächen die zukunftsweisenden Bündnisse zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

Trotzdem dürfen wir nicht aufgeben und eine Niederlage akzeptieren. Es werden alle verfügbaren Mittel benötigt. Jeder Akteur, ob im öffentlichen oder privaten Sektor, muss seinen Beitrag leisten und Verantwortung übernehmen.

Strategische Rechtsverfahren und juristische Befugnisse sind viel zu wenig genutzte Instrumente, mit denen der für einen Wettbewerb notwendige Druck aufgebaut werden kann, anstatt das beliebte Nullsummenspiel namens Kompensation fortzusetzen. Wir müssen unsere Bemühungen um Klimalösungen für eine grünere Wirtschaft verstärken – doch das erfordert Solidarität.

Es braucht Solidarität mit Klimaflüchtlingen

Nach Angaben der Weltbank könnte es bis 2050 mehr als 200 Millionen Klimaflüchtlinge geben. Werden wir ihnen die gleiche Solidarität entgegenbringen, wie sie derzeit zu Recht den Geflüchteten aus der Ukraine zuteil wird? Wie können wir glaubwürdig eine Wende anstreben, von der alle profitieren, wenn wir nicht die irreversiblen Verluste derer einbeziehen, die am schutzbedürftigsten sind? Ein „globaler Rettungsschirm“ ist ein außergewöhnlicher Leitgedanke, doch damit er tatsächlich zu konkreten Ergebnissen führt, sind Ressourcen erforderlich, die die reichen Länder bislang nicht bereitgestellt haben.

Es ist an der Zeit, dass die führenden Industrienationen sich wieder auf den Geist der Solidarität besinnen, der zum Pariser Klimaabkommen geführt hat. Es war nicht einfach, aber es war unerlässlich, 200 nationale Interessen und unterschiedliche Prioritäten zu entzerren, um eine Einigung im Kampf gegen den Klimawandel und für das Allgemeinwohl zu erzielen. Es ist noch nicht zu spät.

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ist Direktorin für Klima­gerechtigkeit bei den Open Society Foun­dations. Zuvor war sie Direktorin für Klima­ver­handlun­gen am World ­Resources Institute in Washington, D. C., wo sie sich für die Umsetzung des Pariser Klima­abkommens einsetzte.

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