EU-Notfallplan beschlossen: Europa will Gas sparen

Die EU-Energieminister haben sich auf einen Gas-Notfallplan geeinigt. Aber erst bei einem Alarm soll es verpflichtende Zwangsmaßnahmen geben.

Ein Gaszähler

Gaszähler Foto: Karl-Heinz Hick/JOKER/imago

BERLIN taz | Europa will gemeinsam Gas sparen, um wegen ausbleibender Lieferungen aus Russland eine Energiekrise zu vermeiden, aber nur ein bisschen. Das ist das Ergebnis des mit Ausnahmen gespickten Gas-Notfallplans, den die EU-Energieminister am Dienstag in Brüssel abnickten. Ungarn stimmte als einziges Land gegen den Kompromiss, der vorsieht, dass die EU-Mitgliedsländer zwischen August und März 2022 auf freiwilliger Basis ihren Gasverbrauch um je 15 Prozent im Vergleich zum Schnitt der letzten fünf Jahre senken. Dafür können sie Vorgaben für Verbraucher und Industrie erlassen, etwa reduzierte Heiztemperaturen im Winter.

Im „Notfall“ kann auch ein „EU-Alarm“ ausgelöst werden. Dann soll es einen Spar­zwang, also verpflichtende Einsparziele, geben. Doch die Hürden dafür sind hoch: Mindestens fünf Länder müssen die EU-Kommission anrufen, einen Vorschlag dazu zu machen. Diesen müssten die EU-Staaten dann mit qualifizierter Mehrheit beschließen – also mindestens 15 Staaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten.

Von einem „starken Zeichen gegen alle Spötter und gegen alle Verächter“ der EU sprach Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Auch wegen der für diesen Mittwoch angekündigten neuerlichen Drosselung der Gaslieferungen aus Russland fehle es an „Vertrauen, dass es über den Winter so weiter geht“.

Die Minister entschärften damit den ursprünglichen Plan der EU-Kommission. Sie hatte noch deutlich weniger Ausnahmemöglichkeiten für einzelne Staaten oder Sektoren gefordert. In Deutschland sind so nun Branchen wie die Lebens- oder Düngemittelindustrie vom Sparziel ausgenommen.

Löcher im Gasverbund

Ausnahmen betreffen auch Länder wie Zypern, Malta und Irland, Spanien oder Portugal, die nicht zum Gassparen verpflichtet werden sollen, weil sie nicht direkt mit dem Gasverbundnetz eines anderen Mitgliedstaates verbunden sind. Bei anderen Staaten sollen zum Beispiel Anstrengungen zur Einspeicherung von Gas, eine drohende Stromkrise und der Verbrauch von Gas als Rohstoff etwa zur Erzeugung von Düngemitteln die verpflichtende Einsparmenge reduzieren können.

Das ursprünglich geplante Einsparziel von insgesamt 45 Milliarden Kubikmeter Gas lasse sich mit dem Plan nicht erreichen, räumte Habeck ein. Wolle Deutschland schwerwiegende Folgen etwa für die gashungrige chemische Industrie abwenden oder sich gegen eine Rezession absichern, müsste die Bundesregierung ein höheres Sparziel ausgeben als die 15 Prozent. „Wer weiß, vielleicht schafft man ja auch mal 16 oder 20 Prozent“, sagte Habeck. Auch mit den eigentlich ausgenommenen Sektoren wie der Düngemittelindustrie wolle er reden. Vieles hänge von der Kälte des Winters und dem individuellen Verbrauch der Bürgerinnen und Bürger ab.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nannte als mögliche Maßnahmen die Optimierung der Einstellungen bei Gasheizungen oder den Wechsel ins Homeoffice über Weihnachten und Neujahr in großen Behörden, damit die Gebäude nicht beheizt werden müssten. Somit könne man die Situation auch ohne die „teilweise etwas ulkigen Hinweise, wie etwa beim Duschen“, bewältigen, sagte Lindner zum Sender RTL/ntv.

Um die Verbraucher im Notfall zu entlasten, prüft die EU-Kommission zudem Obergrenzen für die Gaspreise, um die Krise abzufedern. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte vor kurzem, Brüssel werde solche Preisdeckel „in einer Notfalllage auf den Tisch legen“. Das würde bedeuten, dass die Bundesregierung die Gaspreise für Verbraucher und Industrie subventionieren müsste.

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