Trinh Xuan Thanhs Frau über Entführung: „Ich darf keine Schwäche zeigen“

Vor fünf Jahren wurde Trinh Xuan Thanh in Berlin entführt. Seine Frau Tran Duong Nga spricht erstmals über ihr Exil, Diplomatie und Hoffnung.

Eine Frau mit dunklen Haaren und einer gelben Bluse steht mit dem Rücken zur Betrachter:in des Bildes vor einem Fenster

Tran Duong Nga ist enttäuscht, dass Bundesregierung die Beziehungen zu Vietnam normalisiert hat Foto: André Wunstorf

Das Gespräch mit Tran Duong Nga findet in der Wohnung einer Bekannten in Berlin statt. Die 52-Jährige setzt sich neben den Dolmetscher. Seit 2016 lebt sie in der Hauptstadt. Damals sind sie, ihr Mann Trinh Xuan Thanh und ihre jüngsten Kinder nach Deutschland geflohen, wo sie Anfang der 1990er Jahre schon einmal gelebt hatten. Ihr Mann hat in Vietnam zunächst in einem Staatskonzern und in der Politik Karriere gemacht, fiel dann jedoch in Ungnade und wurde als Staatsfeind Nr. 1 international gesucht. Mit am Tisch sitzt die Anwältin Petra Schlagenhauf, die den ganzen Fall so gut kennt wie wohl niemand sonst und Trinh Xuan Thanh 2018 vor dem Berliner Kammergericht beim Prozess gegen einen Entführungshelfer als Nebenkläger vertreten hat. Tran Duong Nga hatte eine Weile überlegt, ob sie einem Gespräch zustimmen soll, und ist nervös. Aber sie hat auch eine Botschaft. Wir wechseln ein paar Sätze auf Deutsch, dann spricht sie Vietnamesisch und der Dolmetscher übersetzt.

taz am wochenende: Frau Nga, vor genau fünf Jahren, am 23. Juli 2017, wurde Ihr Mann im Berliner Tiergarten entführt und vom Geheimdienst nach Vietnam verschleppt. Seitdem sitzt er dort im Gefängnis, zu zweimal „lebenslänglich“ verurteilt wegen Korruption. Wie erinnern Sie diesen Sonntag?

Tran Duong Nga: Ich würde ungern über das sprechen, was damals passiert ist. Ich muss die Vergangenheit verdrängen, damit ich mich ganz auf die aktuellen Probleme konzentrieren kann. Auf die Situation meines Mannes und wie sie zu lösen ist.

Wissen Sie, wie es Ihrem Mann im Gefängnis geht?

Mein Mann bekommt einmal im Monat Besuch von meiner Familie in Vietnam. Wegen der Coronapandemie waren Besuche lange nicht möglich, seit April dürfen seine Eltern und unser Sohn eine bis anderthalb Stunden mit ihm sprechen. Meine Familie hat mir erzählt, dass es meinem Mann gut geht. Sein Zustand hat sich verbessert, seitdem er nicht mehr im Untersuchungsgefängnis sitzt. Er wird gut behandelt von den Wärtern und teilt sich jetzt mit ungefähr 20 Mitgefangenen eine Zelle. Und bei jedem Besuch hat mein Mann die Hoffnung geäußert, dass er bald nach Deutschland ausreisen darf.

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Trinh Xuan Thanh hat hier Asyl bekommen, er dürfte jederzeit einreisen. Die Bundesregierung hat die Entführung als „inakzeptablen Rechtsbruch“ verurteilt und betont, dass Ihr Mann freikommen muss. Was hören Sie heute von offizieller Seite?

In den vergangenen Jahren hat sich meine deutsche Anwältin große Mühe gegeben, den Kontakt zwischen uns und dem Auswärtigen Amt beizubehalten. Ich war auch persönlich mehrfach im Außenministerium, zuletzt Anfang Juni bei einem Gespräch mit dem für Vietnam zuständigen Referenten. Man sagte uns, dass unsere Sache bei jedem Gespräch zwischen beiden Ländern auf den Tisch gelegt worden sei. Es wurde immer betont, dass man die Sache nicht vergessen wird. Aber es sind nun fünf Jahre vergangen, die zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam sind wieder normalisiert. Aber mein Mann sitzt immer noch im vietnamesischen Gefängnis. Ehrlich gesagt, bin ich sehr enttäuscht von der Bundesregierung.

1969 geboren, lebt seit 2016 mit ihren beiden Töchtern in Berlin und ist in der Immobilienbranche tätig.

Es hieß anfangs, dass die Eiszeit zwischen den Ländern erst endet, wenn Ihr Mann wieder frei ist. Es war von einem Deal die Rede, der das beinhalte.

Genau. Und dass das nicht eingehalten wurde, hat mich sehr enttäuscht. Sie sagen, Diplomatie laufe manchmal eben nicht so schnell wie gewünscht. Wir sollen abwarten. Und ich werde warten. Ich verliere meine Hoffnung nicht. Ich bin auch überzeugt davon, dass Deutschland unsere Sache nicht vergessen hat. Deutschland wird sich weiter für die Freilassung einsetzen. Ich hoffe, dass bei nächsten hochrangigen Treffen wieder darüber gesprochen wird, damit mein Mann zurückkommen kann. Deutschland muss den Druck aufrechterhalten.

Im April wurde ein weiterer Helfer der Entführer verhaftet. Es wird wahrscheinlich zu einem zweiten Prozess kommen. Was sind Ihre Erwartungen daran?

Fünf Jahre nach der Entführung wurde bislang nur ein Mitglied der Entführertruppe verurteilt. Dass jetzt erneut ein mutmaßlicher Mittäter verhaftet wurde, ist ein Beleg dafür, dass Deutschland die Entführung nicht vergessen hat. Und es zeigt auch, dass hier alles streng nach dem Gesetz abläuft. Ich hoffe, dass ein paar neue Details ans Licht kommen.

Ihre erste Zeit in Deutschland haben Sie damals als Leben im Ausnahmezustand beschrieben. Ist das immer noch so? Oder ist inzwischen so etwas wie Alltag eingekehrt?

Mein Leben hier ist ziemlich normal geworden. Ich bin hier in Deutschland integriert. Ich liebe Berlin, es ist sehr lebhaft und bunt. Die Farben sieht man aber erst, wenn man eine Weile hier lebt. Die Vielfältigkeit von Berlin kann man nicht sehen, wenn man nur so auf der Straße langgeht. Meine Kinder besuchen ganz normal die Schule, sie betrachten Deutschland schon als ihre Heimat. Ich verdiene mein eigenes Geld als Immobilienverwalterin und zahle Steuern. Aber es ist natürlich nicht leicht für mich als Fast-Alleinstehende, die Verantwortung für meine Familie zu tragen. Ich muss mich um alles kümmern. Wenn zum Beispiel eine Glühbirne kaputtgeht, muss ich die selbst wechseln. Es wird wirklich Zeit, dass mein Mann zurückkommt.

Es ist schwer vorstellbar, wie viel Geduld Sie aufbringen müssen. Wie schaffen Sie das?

Ich tue all das für alle Angehörige meiner Familie. Manchmal habe ich so großen Druck verspürt, dass ich fast zusammengebrochen bin. Aber ich darf keine Schwäche zeigen. Manchmal stehe ich vor dem Bild meines verstorbenen Vaters und rede mit ihm. Ich bin fest davon überzeugt, dass er mich unterstützt. Es ist wichtig, dass meine Kinder einen Vater haben. Deshalb ist mein größter Wunsch, dass unsere Familie bald wieder hier zusammen­leben kann.

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