Streit über Russland-Sanktionen: Linke ärgert sich über Klaus Ernst

Der Linken-Abgeordnete fordert Gespräche mit Russland über Nordstream 2. Damit stellt er sich gegen die Beschlusslage der Partei.

Klaus Ernst spricht erregt im Bundestag

Mit Äußerungen zu den Sanktionen gegen Russland sorgt Klaus Ernst für Ärger in der Linkspartei Foto: Fabian Sommer/dpa

BERLIN taz | Dass Klaus Ernst so sein ganz eigenes Verhältnis zum Ukraine-Krieg im Allgemeinen und zu den westlichen Sanktionen gegen Russland im Besonderen hat, ist schon seit längerem bekannt. Bisher beschränkten sich Partei- und Fraktionsführung der Linken stets darauf, schweigend mit den Augen zu rollen, wenn sich der bayrische Bundestagsabgeordnete öffentlich mal wieder etwas eigentümlich äußerte. Doch nun haben sie sich erstmals offen von ihm distanziert.

Der Anlass ist ein aktuelles Interview von Ernst in der Rheinischen Post. Darin bezichtigt der 67-jährige Ex-Linksparteivorsitzende die Bundesregierung einer „völlig verfehlten Sanktionspolitik“, deren Leidtragende „unsere Bürger und unsere Wirtschaft“ seien. Es sei „unmoralisch, die Sanktionen in dieser Art und Weise aufrechtzuerhalten“.

Stattdessen müsse die Regierung, so fordert Ernst, „dafür sorgen, dass die Energiepreise durch ein steigendes Angebot, auch durch Russland, begrenzt bleiben“. Dafür müsse man mit Moskau reden, und zwar „gegebenenfalls auch darüber, Nord Stream 2 befristet in Betrieb zu nehmen, wenn die Gasversorgung nicht anders zu gewährleisten ist“, so Ernst.

Mit für ihn ungewöhnlich deutlichen Worten reagierte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch am Dienstag auf den Vorstoß von Ernst. „Die Linke und die Linksfraktion fordern NICHT die Aufnahme von Gesprächen über Nordstream 2“, twitterte Bartsch. Offenkundig scheint ihm langsam der Geduldsfaden zu reißen.

Gegen die Beschlusslage der Linkspartei

Wie es aus Fraktionskreisen heißt, sollte Ernst eigentlich am Dienstag in der von der Unionsfraktion beantragten Aktuellen Stunde zum Thema Konzertierte Aktion, Energiesicherheit und Bundeshaushalt sprechen. Das jedoch ersparte sich die Linksfraktion dann lieber.

Die Äußerungen von Ernst in dem aktuellen Interview bringen die Linke in die Bredouille. Schließlich ist der frühere Parteivorsitzende nicht irgendein unbedeutender Hinterbänkler. Vielmehr ist er Vorsitzender des Ausschusses für Klimaschutz und Energie, bekleidet also den einzigen Ausschussvorsitz, den die Linksfraktion stellen darf.

Auch die heutigen Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan sowie Bundesgeschäftsführer Tobias Bank sahen sich zu einer Klarstellung genötigt. Gleichlautend twitterten sie, der Linken-Bundesparteitag Ende Juni in Erfurt habe „klare Entscheidungen“ getroffen: „Wir fordern einen Preisdeckel für Gasimporte, gezielte Sanktionen gegen Oligarchen, die Nichtinbetriebnahme von Nordstream2 und die Beschleunigung der Energiewende“, so das Linken-Führungstrio.

Tatsächlich widersprechen die Äußerungen von Ernst den Beschlüssen des Erfurter Parteitags. „Die Möglichkeiten, den Import von fossilen Energieträgern aus Russland schnellstmöglich einzuschränken, müssen ausgenutzt werden“, beschlossen die Delegierten dort. Und auch: „Es ist richtig, dass angesichts des Ukrainekrieges Nordstream 2 nicht in Betrieb genommen wird.“ Ausdrücklich sprachen sie sich für Sanktionen „gegen Putins Machtapparat und den militärisch-industriellen Komplex“ aus. Ernst war auf dem Parteitag anwesend, beteiligte sich jedoch nicht an der Debatte.

Unterstützung von Wagenknecht und Lafontaine

Während Partei- und Fraktionsführung auf Distanz zu Ernst gehen, erhält er Unterstützung von der Ex-Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht, die der Bundesregierung vorwarf, eine „irre Sanktionspolitik“ zu betreiben. Wie Ernst forderte auch Wagenknecht entgegen der Parteipositionen: „Sanktionen aufheben, zur Not Gas über Nord Stream II beziehen!“ Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen warf der Ampelkoalition vor, sie führe einen „selbstmörderischen Wirtschaftskrieg gegen Russland“.

Wagenknecht, Dağdelen und Ernst gehören zu einer kleinen Gruppe in der Linksfraktion, die seit Anfang an gegen die offizielle Haltung der Linkspartei zum Ukraine-Krieg Front macht. Bereits Ende Februar warf Gregor Gysi seinen Frak­ti­ons­kol­le­g:in­nen eine „völlige Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges, der Toten, der Verletzten und dem Leid“ vor. Sie seien nur daran interessiert, ihre „alte Ideologie in jeder Hinsicht zu retten“.

Mit der Mehrheit in der Partei und der Fraktion überkreuz, liegen Wagenknecht, Dağdelen und Ernst allerdings ganz auf der Linie des im März aus der Linken ausgetretenen Oskar Lafontaine. Der Ex-Partei- und Fraktionschef meldete sich auf Facebook zu Wort: „Wenn man an die eigene Bevölkerung denkt, gibt es nur eine Lösung: Öffnet Nord Stream 2, um das Schlimmste zu verhindern“, schrieb der 78-jährige Politpensionär.

„Wenn man nur von Staaten wie den USA, Saudi-Arabien oder Katar und Russland, denen man völkerrechtswidrige Kriege vorwirft, Energie beziehen kann, dann sollte man den Lieferanten bevorzugen, der die beste und günstigste Ware hat“, so Lafontaine. „Das ist Russland.“

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