Gaspreis, Katastrophen, Kanzlergespräch: Lindners Tafelsilbersolidarität

Wärmezentren klingen nach muffigen Multispreadern, ein Schlager lehrt das Passivtrinken und das Bundespresseamt legt einen Totalschaden hin.

Christian Lindner am Pult

Will mehr Überstunden: Finanzminister Christian Lindner

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Baerbock sieht keine Chance für Verhandlungen mit Russland.

Und was wird besser in dieser?

Ukraine und Russland vor Abschluss der Verhandlungen zum Getreideexport.

Der Chemieriese BASF hat Milliardengewinne dank einer Tochter im Öl- und Gasgeschäft gemacht. Braucht es endlich eine Übergewinnsteuer in Deutschland?

BASF will schön fromm seine Geschäfte mit Russland bald einstellen. Der Profit kommt jedoch von seiner Tochter Wintershall-Dea und dort zur Hälfte aus – Russland. Da wird ordentlich Moral in den Klingelbeutel geworfen, weil man eh weiß: Nach dem Gottesdienst klauen wir einfach die Klingelbeutel. Eine „Übergewinnsteuer“ ist trotzdem stumpf: Viele Unternehmen füttern jahrelang Verlustbringer durch, damit es dann irgendwann mal Saison hat und ordentlich zurückzahlt. Diese – vielen – würden bestraft für die Maßlosigkeit weniger Oligopolisten. Wenn das Oligopol Preise und Profite hochtreibt, liegt es am Oligopol.

So viele Menschen wie noch nie nutzen derzeit das Angebot der Tafel, mehr als zwei Millionen Menschen. Haben sie einfach weniger hart gearbeitet als Finanzminister Christian Lindner, der zuletzt mehr Überstunden gefordert hat?

Lindner ist solidarisch und isst vom Tafelsilber. Die tiefere Obszönität der Tafeln erhellt sich durch den schlichten Umstand, dass noch kein Supermarkt an einer Tafel Konkurs gegangen wäre: In den Profitspannen ist das milliardenfache Verschenken von Waren eingepreist. Wären die Preise fair kalkuliert, könnten Tafelkunden im Laden kaufen. In dieser Logik ist es okay, wenn wenige Familien mehr besitzen als die Hälfte der Bevölkerung. Vielleicht ist ein Wohltäter dabei, der hinterher alles wieder verschenkt, an Arme.

Deutsche Städte bereiten Wärmehallen für diejenigen vor, die sich das Heizen im Winter nicht leisten werden können. Wie stellen Sie sich den Aufenthalt dort vor?

Ansteckend. „Zum muffigen Multispreader“ – an manchen Stadthallen kann man die Papptafel „Coronazentrum“ gleich hängen lassen. Ältere mag anwehen, dass dann auch „Kartoffelferien“, „Steckrübenwinter“ und der berüchtigte „Kohlenklau“ nicht mehr weit sind; aufwallen düsterer Kriegs- und Vorkriegserinnerungen. Statt der guten deutschen Art, den Müll getrennt zu sammeln- und dabei auch für Menschen keine Ausnahme zu machen, bietet sich das Instrument des Preisdeckels an: Nicht den Gaspreis pauschal, sondern die Mindestmenge pro Kopf. Dann zahlen Ärmere, was sie bisher zahlen, und wer mehr verbraucht und hat, zahlt eben mehr. Der Vorschlag ist so plausibel, dass ihn nur noch eines aufhalten kann: Es stammt von der Linken.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz warnt vor zukünftig unbewohnbaren Flächen in Deutschland. Brauchen wir eine Adaption an die Krisennormalität?

Wird nicht leicht, die gefluteten Holländer zu überreden, ins Ahrtal zu ziehen. Die Bundesregierung arbeitet an einer „Resilienzstrategie“, um „die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit des Gemeinwesens gegenüber Katastrophen zu stärken“. In dem Gedanken kommt das Verhindern von Katastrophen nicht vor. Das ist gut. Das ist schlecht. Fragen Sie Frau Sirene.

Beim Kanzlergespräch in Lübeck ging es erstaunlich wohlwollend zu. Lieben die Deutschen ihren Kanzler?

Erst mal hat das Bundespresseamt da einen soliden Totalschaden am Wording hingelegt: Bei Merkel hieß das Format „Bürgerdialog“, und um sich zu unterscheiden, taufte man es in „Kanzlergespräch“ um. Da den Scholzisten jedoch um offensive Bescheidenheit zu tun ist, wird nun „in Eigenschreibweise“ „KanzlerGESPRÄCH“ großbuchstabiert. Schön krude. Merkel verunglückte legendär bei einem Dialog in Rostock mit abweisenden Worten gegen eine junge Migrantin – kurz bevor sie ihre offenen Arme entdeckte. Seitdem wird offenbar sorgfältiger gecastet.

In Deutschland grassiert wieder die Cancel Culture, dieses Mal trifft es das Schlagerlied „Layla“, das als sexistisch kritisiert wird. Mögen Sie eigentlich Schlager?

Das Lied hören heißt: verstehen, was Passivtrinken sein könnte. Es handelt sich um einen sogenannten Schlager mit vergessenem Umlaut, und meine Antwort ist: Ähhhh.

Und was machen die Borussen?

Spielen am 5. 8. wieder. Falls es jemanden nach der furiosen EM in England interessiert.

Friedrich Küppersbusch ist Journalist und Produzent und stellt die Heizung ab, ohne für den Klimawandel zu sein.

Fragen: Sean-Elias Ansa, Volkan Ağar

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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