Joe Biden in Saudi-Arabien: Ein weltpolitischer Faustschlag

Der US-Präsident macht bei seinem Besuch in Saudi-Arabien den berüchtigten Kronprinzen Bin Salman hoffähig. Der lässt ihn selbstbewusst auflaufen.

Joe Biden und Muhammad bin Salman drücken zur Begrüßung die Fäuste aneinander

Symbolische Begrüßung im saudischen Jiddah per Faust: Joe Biden und Muhammad Bin Salman

BAGDAD taz | Für den saudischen Kronprinzen war der Zweck des Besuchs des US-Präsidenten schon in dem Moment erfüllt, als Joe Biden und Muhammad Bin Salman (MBS) im Corona-Begrüßungsstil ihre Fäuste aneinanderstießen und sich dabei fest in die Augen blickten, der US-Amerikaner ernst, der Saudi ein Lächeln unterdrückend.

Bidens Faustschlag hat MBS auf der internationalen Bühne wieder salonfähig gemacht. Da hilft auch nicht, dass es zuvor aus dem Weißen Haus hieß, dass es auf dieser Reise nicht um „greetings“, sondern um „meetings“ gehe, also um Inhalte und nicht um den Begrüßungsstil.

Für Biden war die Reise nach Saudi-Arabien wie ein Gang nach Canossa. Als Präsidentschaftskandidat 2020 hatte er MBS noch ziemlich direkt für den Mord an dem saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi verantwortlich gemacht. Auch die CIA hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass nach ihrer Überzeugung die Killertruppe, die Kha­shog­gi 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul auflauerte und anschließend seine Leiche zersägte, im Auftrag des Kronprinzen handelte.

In Zeiten des Ukrainekriegs und der damit einhergehenden Energiekrise braucht die USA nun aber zusätzlich gepumptes saudisches Öl, um den Preis des schwarzen Goldes zu kontrollieren. Auch die Loyalität Saudi-Arabiens ist gefragt im Streit mit Russland und in der Konkurrenz mit China. MBS kostet die erneute Anerkennung aus und präsentiert sich wieder als regionales Schwergewicht.

Öffentliche Statements zur Gesichtswahrung Bidens

Das Treffen des US-Präsidenten mit dem Kronprinzen dauerte drei Stunden, doppelt so lange wie geplant. Was davon an die Öffentlichkeit kam, diente vor allem der Gesichtswahrung Bidens. Er habe den Mord an Khashoggi direkt angesprochen, erklärte der US-Präsident gegenüber der Presse.

„Sich in einem solchen Fall still zu verhalten ist nicht vereinbart, mit dem, was wir sind und was ich bin. Ich stelle mich immer hinter unsere Werte“, erklärte Biden. Der Kronprinz habe ihm gesagt, dass er nicht persönlich für den Mord an Khashoggi verantwortlich sei. „Ich habe darauf hingewiesen, dass ich glaube, er ist es doch“, schildert der US-Präsident das Gespräch. Die entscheidende Frage, wer denn nun für den Mord an Khashoggi zur Rechenschaft gezogen wird, blieb unbeantwortet.

Khashoggis einstige Verlobte, Hatice Cengiz, schrieb in einem Tweet, was Khashoggi ihrer Meinung nach selbst zu Biden gesagt hätte: „Ist das die Rechenschaft, die du mir für den Mord an mir versprochen hast? Das Blut des nächsten Opfers von MBS klebt an deiner Hand.“

Cengiz wurde dafür vom US-Kongressabgeordneten Brad Sherman kritisiert. Er wies darauf hin, dass vor allem ärmere Länder unter einem hohen Ölpreis zu leiden hätten und warnte vor daraus folgenden Hungerkatastrophen. „Es ist leicht für Khashoggis Verlobte, zu sagen: Vergesst die Tausenden Menschen, die bei einem hohen Ölpreis sterben werden, und rächt den Tod meines Verlobten. Wir müssen hier erwachsen handeln“, sagte Sherman in einem BBC-Interview.

Saudis verweisen auf Doppelmoral der USA

Währenddessen führten die Saudis Biden nach seinem Treffen mit MBS genüsslich vor. Der Kronprinz habe den Mord an Khashoggi als bedauerlich bezeichnet, aber Biden darauf hingewiesen, dass auch an anderen Orten der Welt Journalisten ermordet werden, etwa die Palästinenserin Schirin Abu Akleh in den israelisch besetzten Gebieten, die auch US-Staatsbürgerin war.

Andere saudische Offizielle sprachen unschuldige Opfer von US-Drohnenangriffen weltweit an, für die nie jemand zur Rechenschaft gezogen wurde. Es war eine öffentliche Aufrechnung, die auch zeigt, wie geschwächt die Position der USA im Nahen Osten ist, seit sich das Land militärisch und politisch immer mehr zurückgezogen hat.

Genau diesem Eindruck wollte Biden am zweiten Tage seines Besuchs entgegenwirken. „Lassen Sie mich klar sagen, dass die Vereinigten Staaten ein aktiver, engagierter Partner im Nahen Osten bleiben werden“, sagte er beim Gipfel des Golf-Kooperationsrats, an dem neben den Königen, Emiren und Sultanen vom Golf auch die Präsidenten Ägyptens, Iraks und Jordaniens teilnahmen. „Wir werden nicht weggehen und ein Vakuum hinterlassen, das von China, Russland oder Iran ausgefüllt wird“, fügte Biden hinzu.

Dafür nahm er dann ganz im Sinne seiner Gastgeber das Thema Iran auf, wie schon zu Beginn seiner Nahostreise in Israel. Er betonte erneut, dass Iran die Beschaffung einer Atomwaffe verwehrt bleiben müsse. Dazu wolle er eng mit den Staaten der Region zusammenarbeiten. Mit Diplomatie werde die USA versuchen, das iranische Atomprogramm wieder einzuschränken.

Biden bettelte letztlich um erhöhte Ölproduktion

All das wirkte wie eine Nebelkerze, um den Hauptzweck seiner Reise zu verschleiern: den saudischen Kronprinzen um eine erhöhte Ölproduktion anzubetteln. Mit scheinbarem Erfolg: MBS kündigte an, Saudi-Arabiens Förderkapazität um 1 Million auf 13 Millionen Barrel pro Tag zu erhöhen.

Zu Beginn von Bidens Amtszeit hatten die arabischen Autokraten noch befürchtet, dass ihnen in Sachen Menschenrechte vielleicht doch ein schärferer Wind aus dem Weißen Haus entgegenschlagen könnte. Der amerikanisch-saudische Faustschlag zeigt, dass sie in dieser Hinsicht nichts zu befürchten haben.

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