Braunschweigs Saisonstart gegen den HSV: Viel Applaus für eine Niederlage

Mit Eintracht Braunschweig bekommt die Zweite Fußball-Bundesliga der Männer einen Farbtupfer in der neuen Saison. Am Ende gewann aber doch der HSV.

Braunschweigs Brian Behrendt zieht Hamburgs Robert Glatzel bei einem Zweikampf am Trikot.

Hohe Motivation: Braunschweigs Brian Behrendt (r) im Zweikampf mit HSV-Stürmer Robert Glatzel Foto: dpa / Swen Pförtner

BRAUNSCHWEIG taz | 23 Minuten waren gespielt, doch schon in der ersten Getränkepause, die wegen der sommerlichen Temperaturen eingelegt wurde, musste Tim Walter vor seinen Spielern ganz schön laut werden. Der Cheftrainer des Hamburger SV dirigierte, kommentierte und motivierte voller Vehemenz. Warum? Weil das Gastspiel seiner Mannschaft bei Eintracht Braunschweig eine wirklich schwierige Angelegenheit war.

Die Niedersachsen melden sich voller Elan und Leidenschaft in der Zweiten Herrenfußball-Bundesliga zurück. „Bei uns“, versichert Eintracht-Trainer Michael Schiele, „ist gute Stimmung.“ Daran wird auch die ärgerliche 0:2-Heimniederlage zum Saisonstart wenig ändern. HSV-Torjäger Robert Glatzel hatte in der 67. und 76. Minute die entscheidenden Treffer für die Hamburger erzielt.

Beide Halbzeiten im Stadion an der Braunschweiger Straße konnten erst mit Verspätung beginnen. Dichter Nebel, der dem Abbrennen von Pyrotechnik zu verdanken war, drang aus der Hamburger Fankurve auf den Platz. Die besonderen Umstände passten zu einer besonderen Konstellation. Denn die Rückkehr von Eintracht Braunschweig in den besseren Fußball sorgt für viel Euphorie und Aufmerksamkeit. Die Niedersachsen sind ein stolzer, traditionsreicher Verein.

Ihrem Abstieg 2021 folgt ein für die Eintracht typisches Aufbegehren mit dem Wiederaufstieg als Belohnung. Angesichts der finanziell und personell limitierten Möglichkeiten gehört die Eintracht zu den klaren Außenseitern in der Zweiten Liga. Aber siehe da: Gegen den Titelfavoriten aus Hamburg gelang dank viel Leidenschaft ein starker Auftritt. Das verdiente vor rund 23.000 Zu­schaue­r:in­nen jede Menge aufmunternden Applaus.

Überfallartige Angriffe

Der Spielverlauf im Duell mit dem Hamburger SV dürfte typisch dafür gewesen sein, was Eintracht Braunschweig in der Saison 2022/23 erwartet. Mehr als 90 Minuten lang hatte mit dem HSV der Gegner deutlich mehr Ballbesitz. Für sehenswerte Angriffe sorgt dagegen die konternde Eintracht. Immer wieder stürmten die Braunschweiger Profis überfallartig in Richtung des gegnerischen Tores. Doch keiner ihrer Angriffe wurde mit einem Treffer belohnt.

Das könnte auch daran gelegen haben, dass die im Mai noch umjubelte Aufstiegsmannschaft zusammengehalten und bisher nur unwesentlich verstärkt worden ist. Der Spielerkader soll sich in den nächsten Tagen noch leicht verändern, um mit neuem Personal zum Beispiel für mehr Torgefahr zu sorgen. Doch vielleicht öffnet die knappe Niederlage gegen den HSV in Braunschweig auch die Augen dafür, dass es durchaus möglich ist, die besseren Teams der Liga mit hoher Einsatzbereitschaft und viel Willen zu ärgern.

Mit einer fußballverrückten Stadt wie Braunschweig hat die Zweite Bundesliga einen blau-gelben Farbtupfer zurück. „Positiv angespannt“ – so nennt Nicole Kumpis die Gemengelage rund um die Eintracht. Sie ist die Präsidentin des Vereins und nutzt die mediale Aufmerksamkeit der Partie gegen den HSV, um Werbung für mehr Frauen in verantwortungsvollen Positionen bei Profiklubs zu machen. Ihr Anliegen ist ähnlich anspruchsvoll wie der Versuch von Eintracht Braunschweig, den Klassenerhalt zu schaffen.

Was es braucht, um zu den besten Teams der Liga zu zählen und vom Aufstieg in die 1. Bundesliga realistisch träumen zu können, führte der Hamburger SV vor. Inmitten der vielen Konterangriffe behielt die Gastmannschaft den Überblick und konnte sich auf Torhüter Daniel Heuer Fernandes verlassen. Dazu kam mit Glatzel ein Stürmer, der lange Zeit kaum zu sehen war, um dann doch den Unterschied in einer hart umkämpften Partie auszumachen.

Gefestigte Hamburger

In Summe fiel nicht einmal ins Gewicht, dass sich der HSV kurz vor dem Saisonstart von seinem Sportdirektor Michael Mutzel getrennt hat. Eine solch zentrale Personalie kann so manches durcheinanderbringen. Doch die Hamburger Mannschaft wirkte bei ihrem Auftritt in Braunschweig trotz so manchen Fehlers in sich gefestigt.

Ein hochkarätiger Stürmer wie Glatzel, der aus wenig viel macht, fehlt im Kader von Eintracht Braunschweig. Das macht den feinen Unterschied zwischen einem Hamburger Traditionsverein aus, der die Zweite Liga unbedingt verlassen will und einem Braunschweiger Traditionsverein, der der Zweiten Liga unbedingt erhalten bleiben möchte. Was auch immer die Eintracht-Elf bei ihrem Anrennen anstellte: Sie sah engagiert aus und machte Lust auf mehr.

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