Einheitsdenkmal am Berliner Schloss: Stillgestellte Bewegung

In Berlin baut man zur Erinnerung an die Wende eine Wippe. Doch die Einweihung des Einheitsdenkmals verzögert sich – wieder einmal.

Eine Grafik mit riesigen Äpfeln in einer Schale

Noch muss man mit dem Wippen warten Illustration: Sebastian König

BERLIN taz | Was macht eigentlich der Bau des Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin? Antwort: Er verzögert sich. Der zuletzt für die Eröffnung vorgesehene 3. Oktober diesen Jahres ist nicht zu halten. So weit alles normal in der Hauptstadt. Schließlich liegt die Initiative zu dem Denkmal zur Erinnerung an die friedliche Revolution von 1989 schon 24 Jahre zurück. Da kommt es jetzt nicht mehr so genau darauf an.

Am 9. November 2007 beschloss der Deutsche Bundestag den Bau eines solchen Denkmals. Ein erster Wettbewerb zur Gestaltung fand 2009 kein Ergebnis, ein zweiter Anlauf 2010 kürte als Sieger den Entwurf des Stuttgarter Büros Milla & Partner in Arbeitsgemeinschaft mit der Choreografin Sasha Waltz: die sogenannte Einheitswippe. Diese Idee wird nun seit 2020 umgesetzt, nachdem es wegen gestiegener Kosten in der Vergangenheit zu zeitweiligen Bedenken und Pausen für das Projekt kam. Rund 17,1 Millionen Euro sind veranschlagt. Wahrscheinlich werden es mehr.

Genaueres ist derzeit nur schwer zu erfahren. Beim Bauherrn, der Bundeskulturbeauftragten Claudia Roth, zeigt sich deren Pressesprecher wenig informiert und interessiert an dem Projekt. Man habe es von den Vorgängern geerbt.

Bei der Projektleitung, dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), will man nicht zitiert werden und bei Milla & Partner als „Generalübernehmer aller Planungs- und Bauleistungen für das Denkmal“ sind offenbar alle ausgeflogen: Es ist Urlaubszeit in Berlin. Die Stadt gehört den Touristen.

Baustelle vor dem Schloss

Auf der Baustelle zwischen Berliner Schloss und der Spree ist von der Wippe bisher nur die Verschalung ihres Unterbaus zu sehen. Das zukünftige Denkmal wird auf dem verbliebenen Sockel des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals seinen Platz finden, dessen Reiterstandbild von der DDR 1949 abgerissen wurde. Das auf das alte aufgesattelte neue Denkmal soll nach dem „Prinzip der Schichtung“ die „bewegte Geschichte des Ortes“ lesbar halten, wie es im Konzept von Milla & Partner heißt.

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Das neue Denkmal, die begehbare, 50 mal 18 Meter große Schale, ist als „kinetisches Objekt“ gedacht, das durch „Partizipation und Interaktion“ in Bewegung gebracht werden kann: Wenn mehr als 20 Menschen sich auf einer Seite der Schale versammeln, neigt sich das Denkmal zur anderen Seite. Doch die immerhin maximal 1.400 Menschen fassende Schale, die derzeit bei einer Metallbaufirma in Nordrhein-Westfalen gebaut wird, scheint mit Material‑ und Lieferschwierigkeiten zu kämpfen. Einen neuen Eröffnungstermin für die Einheitswippe gibt es derzeit nicht.

Wie gesagt: Es ist Ferienzeit und irgendwie scheint sich auch das gerade abwesende deutsche Volk nicht richtig für das Denkmal zu interessieren.

Dabei sind noch wichtige Fragen offen: Etwa was die direkt neben dem Denkmal geplante Freitreppe hinab zur Spree angeht, die hier als Flussbad benutzt werden soll. Diese Idee, die zufällig genauso alt wie das Einheitsdenkmal ist und also ins Jahr 1998 zurückreicht, steht derzeit wieder auf der Kippe.

Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) scheint kein Freund des Projekts zu sein. An der Stelle der Freitreppe hat sich derzeit noch ein kleines Biotop aus buntem Gestrüpp erhalten, das selbst den Bau der erst im vergangenen Jahr fertiggestellten U-Bahn genau darunter überdauert hat.

Es mag sein, dass man die Würde des Denkmals durch hier im Fluss Badende gestört sehen kann. Allerdings scheint die Wippe selbst das Zeug für eine Jahrmarktsattraktion zu haben. Die heute noch bierbikenden Berlintouristen werden sich die Gaudi wohl kaum entgehen lassen, das Denkmal zu rocken, gemäß dem im Boden der Denkmalschale eingelassenen Motto: „Wir sind das Volk“.

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