Foodtrend High-Protein-Produkte: Eier, wir brauchen Eier

Ob Pizza oder Pudding, Brot oder Bier – alles gibt es jetzt auch mit einer Extraportion Eiweiß. Das sorgt fürs Fitness-Feel am Supermarktregal.

Eierschalen und ein rohes Ei

Fast alle Deutschen nehmen mehr als genügend Proteine über die normale Nahrung auf Foto: Fatima Guisado/imago

Ach wär ich doch ein Huhn, ich hätt nicht viel zu tun: Ich legte täglich bloß ein Ei – und würde ich das Ei anschließend essen, und auch als Huhn 70 Kilogramm wiegen, hätte ich ein Achtel meines täglichen Proteinbedarfs bereits gedeckt.

Da ich aber keine Eier lege, muss ich in den Supermarkt. Dort finde ich dann „Hafer-Vollkorn Protein Fitnessbrot“ von BenFit und „Schwarzwaldmilch Frische Proteinmilch“, außerdem die „Protein Lovers Pizza“ von Garden Gourmet, zu der bestimmt ein „Joybräu Proteinbier Light Alkoholfrei“ super passt. Und zum Nachtisch gibt es „Dr. Oetker High Protein Pudding Grieß“.

Denn Eiweiß ist der neue Star unter den Inhaltsstoffen. Und es klingt ja erst mal auch positiv, endlich mal für irgendwas sein, und sei es auch nur -tein. Mehr statt weniger! High statt Low!

Protein-Nahrungsmittel kommen dabei aus dem Großtrendfeld Selbstoptimierung, gehören hier zum Functional Food und setzen auf den Low-Carb-Trend auf, dem wir verdanken, dass Kohlenhydrate vor einiger Zeit das Fett als den Hitlerputin der Diätbemühungen abgelöst haben. Darunter mixen sie noch eine Portion Fitnesstrend, denn angefangen hat das alles ja in diesen Bodybuilder-Shops, die nichts außer Proteinpulver in Plastikbottichen verkaufen. Auf die und ihre Kunden schaut der gebildete und ernährungsbewusste Mann zwar weiterhin herab, aber unterbewusst ist er eben doch da, der Wunsch nach Boss-Transformation, definiertem Oberkörper und überhaupt, Protein – da öffnet sich der Assoziationsraum Richtung rohe Eier, das gibt ordentlich Tinte auf den Füller. Einfach nur, weil man das richtige Brot isst. Geil!

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Im sogenannten Mopro-Segment (Molkereiprodukte) erkennt man die Eiweißbomben übrigens an ihrer schwarzen Verpackung, das soll wohl irgendwie männlich wirken. Den Marktforschern der GfK zufolge hat sich der Umsatz mit High-Protein-Produkten in Kategorien wie Quark und Joghurt zwischen 2016 und 2020 verfünffacht. Was auch daran liegt, dass High-Protein-Produkte gern mal das Dreifache im Vergleich zur Normalvariante kosten.

Bloß, bringt das was? Nö, sagen übereinstimmend die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Foodwatch, die Krankenkasse IKK und Bild der Frau. Fast alle Deutschen nehmen mehr als genügend Proteine über die normale Nahrung auf, und damit aus dem Mehr an Proteinen auch ein Mehr an Muskeln wird, müsste noch ein Mehr an Training dazukommen, also: mehrere Stunden am Tag. Das überschüssige Protein wird verbrannt, kann auch ansetzen und/oder die Nieren belasten. Dass Proteinprodukte meist hoch verarbeitete Lebensmittel sind, macht sie auch nicht gesünder.

Die Leute kaufen es trotzdem. Denn die Hoffnung, dass sich ungesunde Ernährung einfach über das Hinzufügen oder Weglassen von einzelnen Inhaltsstoffen lösen lässt, ist einfach zu groß. Ich kann’s ja auch verstehen.

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Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.

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