Doku zu 70 Jahren „Bild“: Der WDR stolpert schon wieder

Nicht zum ersten Mal beginnt der WDR mit einer „Bild“-Doku – und lässt es dann doch bleiben. Grund könnte das schwierige Verhältnis von ARD-Anstalt und Springer sein.

Drei Bildaufsteller vor einem Kiosk

Werbung für jede Menge „Bild“-Lesestoff Foto: Michael Gstettenbauer/imago

Vor ein paar Tagen jagte Bild mal wieder einen Nazi-Schatz. Überhaupt kommt einem Deutschlands Boulevardschleuder etwas in die Jahre gekommen vor.

Was vermutlich daran liegt, dass es stimmt. 70 Jahre hat Bild auf dem Buckel. Für viele Medien Anlass, sich mal wieder mit Bild und Springer zu beschäftigen. Beziehungsweise für den WDR, in Sachen Lieblingsfeind über die eigenen Füße zu stolpern. Da war also in Köln mit einer Doku zu 70 Jahren Bild angefangen worden. Und als die Kol­le­g*in­nen des Branchendienstes Medieninsider fragten, warum die dann nicht lief, bekamen sie als offizielle Antwort: „Es hat im WDR Überlegungen dazu gegeben, sich mit 70 Jahren Bild auch filmisch zu befassen. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wurde diese Idee aber im Zuge einer Priorisierung nicht weiterverfolgt.“

Putin ist also schuld. Da hat Bild ja noch mal Glück gehabt. Außerdem habe es ganz praktische Probleme gegeben, „u. a. weil wichtige Gesprächspartner abgesprungen sind“. Das klingt, vorsichtig formuliert, eher nach Ausrede.

Das Gefühl mit dem Abspringen kennen sie beim WDR allerdings ganz gut. Schließlich hatte der Sender schon im vergangenen Jahr mit einigem Aufwand zu den später bestätigten Vorwürfen gegen den damaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt recherchiert, war aber nicht wirklich weitergekommen.

Immer gleich politisch ausgelegt

Zwar sollen zeitweilig bis zu drei verschiedene Teams unterwegs gewesen sein, doch die Enthüllungen fanden in der New York Times, der Zeit und im Spiegel statt. Dass die Energie in Sachen Bild beim WDR erlahmte, dürfte aber auch mit dem komplizierten Verhältnis der größten ARD-Anstalt zu Springer zu tun haben.

Wenn der WDR etwas über Bild mache, werde das bei Springer immer gleich politisch ausgelegt, heißt es in der Kölner Anstalt. Damit geht sie sich allerdings selbst auf den Leim. Die Tragik besteht eher darin, dass die ARD und allen voran der WDR den Bild-Brei oft heißer essen, als er gekocht wird. Den Höhepunkt hatte das Ganze vor ein paar Jahren, als der WDR ganz subversiv eine Kampagne gegen einen angeblich unmittelbar bevorstehenden Angriffskrieg des Hauses Springer plante.

Blöd nur, dass Bild gar nichts Derartiges vorhatte. Und als dann noch die WDR-Planungen an die Öffentlichkeit gerierten, kam der damalige Bild-Chef Kai Diekmann aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Geschichte wiederholt sich halt manchmal, ähnlich wie Bild-Aufmacher über angebliche Nazi-Schätze. „Oder Debatten über Henri Nannen“, ruft die Mitbewohnerin. Mittlerweile sind Diekmann und Reichelt wie die anderen Gesprächspartner abgesprungen und der neue Bild-Chef Johannes Boie ist zu langweilig. Daher ein Vorschlag zur Güte: Lieber WDR, macht doch mal ’ne Doku über Mathias Döpfner!

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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