Haushalt mit Schuldenbremse: Das Ende der Corona-Ökonomie

Nach drei Jahren Pandemie legt Finanzminister Lindner für 2023 einen Etat mit Schuldenbremse vor. Neuverschuldung und Ausgaben sollen sinken.

Finanzminister Christian Lindner im Bild zu sehen

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP): Weniger neue Schulden und Ausgaben Foto: dpa

BERLIN taz | Einen Grundsatz, für den er angetreten ist, versucht Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nun umzusetzen. Nach drei Jahren Corona-Pandemie will er 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten. Das geht aus dem Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt des nächsten Jahres hervor. Die drastische Kürzung der Ausgaben macht sich schwerpunktmäßig im Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach (SPD) bemerkbar.

Für Corona-Tests, Impfungen und Krankenhausbetten plane man deutlich weniger Geld ein, weil es nicht mehr gebraucht würde, hieß es aus der Regierung. Allerdings erhält Lauterbach einen höheren Zuschuss von zusätzlich zwei Milliarden Euro, damit die Krankenkassenbeiträge nicht noch stärker steigen. Genaue Zahlen für die einzelnen Ministerien fehlten bei der Präsentation des Entwurfs am Mittwoch jedoch noch.

„Wir kehren zu einem normalen Staatshaushalt zurück“, hieß es. Die Neuverschuldung soll deshalb im Vergleich zu 2022 um rund 122 Milliarden abnehmen. Für 2023 stehen nur noch 17 Milliarden Euro als neue Kredite im Entwurf. Hinzu kommen wahrscheinlich aber weitere acht Milliarden an zusätzlichen Schulden für Waffen und Militärmaterial wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine. Die Mittel hat die Koalition aus SPD, Grünen und FDP in ein Extrabudget verlagert, das nicht Teils des normalen Haushalts ist und der Schuldenbremse nicht unterliegt.

Die Ausgaben 2023 sinken im Vergleich zu diesem Jahr um rund 50 Milliarden Euro. Die Einnahmen sollen um rund 34 Milliarden Euro wachsen, weil die Steuererträge im Zuge der wirtschaftlichen Erholung nach Corona steigen. Um Ausgaben und Einnahmen in eine Balance zu bringen, will Lindner etwa 41 Milliarden Euro aus der Rücklage von vor der Pandemie einsetzen. Diese wäre damit nahezu aufgebraucht. Insgesamt soll der Etat 2023 rund 445 Milliarden Euro umfassen, gegenüber 496 Milliarden in diesem Jahr. Dass sich die Zeiten ändern, sieht man auch an den Zinsausgaben.

Bundeswehr bekommt mehr, Entwicklungshaushalt sinkt

Während diese in den vergangenen Jahren kaum noch eine Rolle spielten, steigen sie 2023 auf etwa 30 Milliarden Euro. Unter anderem wegen der Inflation muss der Bund seinen Gläubigern mehr Geld bieten. Die jährlichen Ausgaben für die Rente, den größten Posten im Etat, nehmen von 112 (2023) auf 129 Milliarden 2026 zu. Die Bundeswehr schlägt mit 50 Milliarden zu Buche, plus acht Milliarden aus dem Sondervermögen. Der Haushalt des Entwicklungsministeriums soll etwas sinken.

Die Ausgaben werden 0,67 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, etwas weniger als die versprochenen 0,7 Prozent. Bei den Aufwendungen für Investitionen ist geplant, dass sie zunächst auf den Rekordwert von 58 Milliarden wachsen, um sich ab 2024 dann bei 52 Milliarden einzupendeln. Im Verkehrsbereich will die Koalition mehr für den Schienenverkehr ausgeben als für Straßen. Komplett ausgereizt ist der finanzielle Spielraum angeblich nicht.

Sowohl bei den Ausgaben als auch den Einnahmen bestehe ein Puffer von fünf Milliarden, heißt es. Unklar, ob das reicht, wenn die nächste Corona-Welle, der Krieg oder ein Gasboykott Russlands den Haushalt sprengen. Einige Po­li­ti­ke­r:in­nen von SPD und Grünen, aber auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), bezweifeln, dass die Schuldenbremse im kommenden Jahr einzuhalten ist.

Nicht in der Finanzplanung enthalten ist bisher beispielsweise ein weiteres Entlastungspaket angesichts der Inflation, über das schon diskutiert wird. Aber auch Lindners eigener Wunsch einer Steuersenkung zur Neutralisierung inflationsbedingter Steuererhöhungen (kalte Progression) kommt nicht vor. Auch die im Koalitionsvertrag angepeilten Vorhaben des Bürgergeldes zur Reform von Hartz IV und der Kindergrundsicherung sind noch nicht zu sehen. An diesem Freitag soll der Beschluss des Kabinetts über den Entwurf, von September bis Dezember dann die Beratung in Bundestag und Bundesrat folgen.

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