Getreideexport aus der Ukraine: Ein Schritt gegen die Hungerkrise

Es fehlen nur noch die Unterschriften: Russland und die Ukraine einigen sich. Odessa soll demnächst Millionen Tonnen Getreide verschiffen können.

Männer in Anzug sitzen auf einem Tisch

Die Delegationen von Russland, Ukraine und Türkei am Mittwoch in Istanbul Foto: Turkish Defence Ministry/reuters

ISTANBUL taz | Bei Gesprächen zwischen russischen und ukrainischen Militärs ist am Mittwoch ein Durchbruch für eine Einigung über den Abtransport ukrainischen Getreides auf die Weltmeere gelungen. Bei den Verhandlungen in Istanbul, die auf Einladung der UN und der Türkei zustande kamen, sei ein „entscheidender Schritt“ auf dem Weg zu einer Lösung für den Getreideexport erfolgt, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres am Mittwochabend in New York.

Guterres hatte sich zuvor von seinen Diplomaten, die in Istanbul an den Verhandlungen teilgenommen hatten, unterrichten lassen. Es seien noch „einige Fragen bis zu einer formalen Vereinbarung zu klären“, sagte Guterres, aber „wenn beide Seiten bei ihrer Meinung blieben“, könne in der kommenden Woche bei einem erneuten Treffen in Istanbul eine Vereinbarung unterzeichnet werden. Wenn es tatsächlich dazu kommt, könnten in den nächsten Wochen 20 bis 25 Millionen Tonnen dringend benötigter Weizen und anderes Getreide aus den Silos in und um die ukrainische Hafenstadt Odessa nach Ost- und Nordafrika transportiert werden, um drohende Hungersnöte dort abzumildern.

Es wäre ein Sieg der Vernunft, den Guterres als ein erstes Hoffnungszeichen bei Russlands Krieg in der Ukraine bezeichnete. Moderiert hatte das Treffen der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar, da die türkische Marine eine wichtige Rolle bei der Umsetzung eines möglichen Abkommens spielen würde. Laut Akar habe man sich konkret über drei Korridore geeinigt, durch die eine sichere Schifffahrt aus und nach Odessa möglich sein soll. Bei Transporten müssten dann um den Korridor herum Feuerpausen vereinbart werden. Auf Wunsch Russlands soll die türkische Marine kontrollieren, dass Frachtschiffe, die nach Odessa einlaufen, keine Waffen für die Ukraine transportieren. Umgekehrt möchte die Ukraine, dass Frachter aus Odessa einen Geleitschutz durch türkische Kriegsschiffe bekommen und diese auch sicherstellen, dass Russland durch die Korridore keine Angriffe auf die ukrainische Küste unternimmt.

Um die komplizierten Operationen reibungslos abzuwickeln, soll laut Hulusi Akar in Istanbul ein Koordinationszentrum eingerichtet werden, in dem alle Seiten vertreten sind und sich untereinander abstimmen. Akar gab sich am Mittwochabend noch etwas optimistischer als Guterres. Er erklärte, eine Einigung sei erzielt worden. Sie müsste nun in Kiew und Moskau gebilligt werden.

Das Korn in Odessa droht zu verrotten

Während der Kreml sich am Mittwochabend nicht äußerte, sagte der ukrainische Präsident Wolodomir Selenski, man habe ihn über die Fortschritte unterrichtet und er sei „hoffnungsvoll“, die Welt demnächst mit ukrainischem Getreide versorgen zu können.

Käme es dazu, könnte die weltweite Lebensmittelknappheit, verursacht durch Dürren, die Covidpandemie und den Krieg Russlands in der Ukraine zumindest etwas abgemildert werden. Länder wie Somalia, Äthiopien, Ägypten und Libanon haben bislang einen Großteil ihrer Getreideimporte aus der Ukraine bezogen. Und während das geerntete Korn in den Silos in Odessa zu verrotten droht und außerdem den Platz für die neue Ernte in diesem Jahr blockiert, wird die Lage in den ost- und nordafrikanischen Ländern immer dramatischer.

Da auch Russland nach einer entsprechenden Vereinbarung wieder mehr Getreide und Düngemittel exportieren will, könnte sich die Lage etwas entspannen. In der Türkei hofft man, mit einem Vermittlungserfolg bei den Getreideexporten die Grundlage für weitere Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine schaffen zu können. Präsident Recep Tayyip Erdoğan versprach, alles Notwendige bereitzustellen, um zukünftige Verhandlungen zum Erfolg zu führen.

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