Hochzeit von Christian Lindner: Wasser predigen, Champagner saufen

Kritik an der Luxushochzeit von Finanzminister Lindner sei aus Neid erfolgt, sagt dessen Parteifreundin. Auf eine langweilige Heten-Hochzeit auf Sylt?

Christian Lindner und seine Frau Franca Lehfeldt am Hochzeitstag

Für die einen eine Sache der Liebe, für die anderen eine des Geldes: Hochzeit von Christian Lindner Foto: Axel Heimken/dpa

C-Promi-Hochzeiten interessieren mich null – selbst nicht, wenn die C-Promis der Finanzminister und eine Journalistin sind. Auf meiner Twitter-Timeline wurde das Event trotzdem hoch- und runterdiskutiert. Besonders ein Aspekt: Während Christian Lindner ankündigte, die ohnehin schon knappen Hartz-IV-Leistungen kürzen zu wollen, feiert er eine Luxushochzeit auf Sylt. Unter seinen Gästen waren zig Politiker_innen, darunter Friedrich Merz, der mit seinem 900.000-Euro-Privatjet anreiste.

Ja, es wirkt zynisch, dass Politiker_innen inmitten einer Krise teure Partys feiern, während sie der restlichen Bevölkerung ansagen, den Gürtel enger zu schnallen und die Heizungen runterzudrehen. 100 Milliarden Euro fürs Militär und der ohnehin dubiose Tankrabatt, den sich Ölkonzerne in die Tasche steckten, sind eben wichtiger als Subventionen für Wohnraum, Heizkosten oder Lebensmittel.

Leitungswasser predigen, Champagner saufen: Maus muss nicht linksradikal sein, um diesen obszönen Zustand und die Doppelmoral zu benennen. Trotzdem hätte ich mir mehr Sparmaßnahmen bei dem dümmsten, wenn auch sehr populären Take des Wochenendes gewünscht: Wer die Lindner-Hochzeit samt aller Exzesse kritisiert, sei einfach neidisch. Lindners Parteikollegin Katja Adler twitterte, die Kritiker_innen der Hochzeit seien bestimmt auch gegen SUV-Fahren, Eigentumswohnungen oder -häuser, mehrere Urlaube pro Jahr und für Tempolimits. „Alles für das #Klima. (sic!) #Neid“

Waren die Protestierenden in Sri Lanka nur neidisch?

Klimaschutz, Verkehrssicherheit oder die Forderung nach einer gerechten Verteilung von Vermögen als Rache des missgünstigen und faulen Pöbels? Irgendwie cute naiv. Waren die Protestierenden in Sri Lanka, die das Haus des Präsidenten gestürmt haben, vielleicht auch nur neidisch? Oder der Sturm auf die Bastille? Wenn die Wut auf die Politik tatsächlich in einem Akt der Rache zum Ausdruck gebracht würde, wären es ganz sicher keine reformistischen Forderungen.

Dass eine FPD-Politikerin so einen Nonsense denkt, überrascht nicht. Viel bitterer sind jene Verteidiger_innen der Reichen, die selbst der potenziellen Obdachlosigkeit um ein Vielfaches näher stehen als dem Millionär_innen-Life. Es ist billig, Leuten vorzuwerfen, nur ihre Faulheit halte sie davon ab, Vermögen zu horten.

Wissen Sie, was wirklich faul ist? Kritik mit dem sozialchauvinistischen Kampfbegriff Neid abzuwehren.

Worauf genau soll ich neidisch sein? Auf eine langweilige Heten-Hochzeit auf fucking Sylt? Auf die Schönheitsoperationen, die Chris­sie Lindner hatte oder nicht hatte? Auf den Job seiner Frau bei Springer? Auf casual Korruption eines Lobbyisten, der einen Politiker LARPt? Mag sein, dass Verachtung von oben wie Neid aussieht. Von unten sieht Selbstüberhöhung wie Clownerie aus.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version des Textes stand, dass Robert Habeck mit der Bahn zur Hochzeit gereist sei. Tatsächlich war er aber gar nicht auf der Hochzeit.

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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