Wer trägt welches Fußballtrikot?: Schüller statt Müller!

Während deutsche Männer bei der EM ihren „Müller“ oder „Hamann“ tragen, haben dänische Typen keine Probleme mit „Harder“ oder „Holmgaard“.

Frau schreibt für Mädchen: Nationalspielerin Jule Brand signiert ein Trikot.

Frau schreibt für Mädchen: Nationalspielerin Jule Brand signiert ein Trikot Foto: dpa

Das Fußballtrikot, diese viel geschmähte Merch-Ware, ist ein Politikum, denke ich am Samstag im Stadion in Brentford. Zum Auftaktspiel der Engländerinnen gegen Österreich kam eher Musicalpublikum, Trikots waren eine Seltenheit. Hier in Brentford dagegen stehen Fans, angereist zu einem Turnier, das ihnen etwas bedeutet, und tragen Farben und Namen in die Welt.

Ein Didi Hamann sagt etwas anderes über die Weltsicht als ein Thomas Müller, ist klar. Und schließlich: Wer trägt Frau? Bei Deutschland gegen Dänemark sieht man schon mal Schüller statt Müller. Vor allem bei jungen Frauen, Männer haben wohl Angst vor diesem Look. Im dänischen Block ist das anders: nur Harders und Holmgaards weit und breit oder eben Unisex-Look „Danmark“. Mit Männertrikot zu den Frauen zu rennen scheint dort unanständig.

Muss man nun zweimal 108 Euro in den Rachen des DFB werfen? Ich plädiere für Klebenamen hinten drauf. So lässt sich beim Trikot mit der 6 bequem zwischen Oberdorf und Kimmich wechseln. Wollte der DFB nicht eh was machen mit Umwelt? Das Stadion ist gut gefüllt, obwohl, eigentlich ist das nicht wichtig. Das Männergejammer, die Stadien seien zu leer, zu leise, es wird allmählich etwas nervig.

Bedenkliche Entwicklung

Wer bestimmt eigentlich, was eine angemessene Kulisse ist? Und ein angemessenes Publikum? Ja, es sind viele Familien und junge Frauen da. So what? Die Abschätzigkeit, mit der das Fehlen junger Männer („echte Fans“) beklagt wird und über „Frauenfußball-Publikum“ gestöhnt, offenbart schon einen erstaunlichen Sexismus derer, die sich nicht für Se­xis­t:in­nen halten. Aber die jungen Männer suchen bestimmt nur noch ihr Oberdorf-Trikot …

Sehr wohlwollend wurde übrigens Nadia Nadim empfangen. Die dänische Nationalspielerin mit afghanischen Wurzeln war, ähnlich wie Mesut Özil, so lange als Integrationsmaskottchen gut genug, wie sie die Erwartungen erfüllte. Seit sie für die Männer-WM in Katar wirbt, wurde auch von ihren Kolleginnen ernsthaft diskutiert, ob sie aus dem Nationalteam gecancelt werden sollte.

Eine bedenkliche Entwicklung, wo fundierte Wirtschaftskritik einer Hänsel-und-Gretel-Dichotomie des Nationalen gewichen ist: Es geht nicht um die Ausbeutung des Globalen Südens und Abschottung des Nordens, sondern um einzelne Schurkenstaaten, die von den guten Staaten (Wir Demokraten!) gecancelt gehören. Die, die in den Textilfabriken deutsche Nationaltrikots für Cent-Löhne nähen, haben kein karrieresprengendes Potenzial, sie sind halt bedauerlich.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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