Wiederaufbauplan für die Ukraine: Die Rechnung zahlt der Westen

Putin zerstört die Ukraine, doch am Wiederaufbau wird sich Russland nicht beteiligen. Das ist zwar ungerecht, aber aus mehreren Gründen nicht zu ändern.

Luftaufnahme einer zerstörten Stadt

Zerstörter Kiewer Vorort Irpin: Russland wird sich am Wiederaufbau kaum beteiligen Foto: Emilio Morenatti/ap

Es mag verfrüht wirken, dass die Weltgemeinschaft bereits überlegt, wie sich die Ukraine wieder aufbauen lässt. Denn noch tobt Putins Angriff: Luhansk ist fast völlig zerstört, und als Nächstes soll auch die Region Donezk in Schutt und Asche geschossen werden

Aber ein Krieg wird nicht nur militärisch, sondern auch politisch geführt. Auf der Konferenz im schweizerischen Lugano haben rund 40 Länder signalisiert, dass sie der Ukraine ökonomisch geradezu grenzenlos beistehen werden. Wörtlich lautet das Versprechen, das Land „bis zur vollständigen Erholung“ zu unterstützen.

In diesem Satz steckt nicht nur eine finanzielle Botschaft. Implizit garantieren die Geberländer auch, dass die Ukraine den Krieg militärisch übersteht – und nicht komplett in die Hände Russlands fällt. Sonst wäre ein Wiederaufbau ja gar nicht möglich.

Lugano war keine Geberkonferenz, die schon endgültige Finanzzusagen eingesammelt hätte. Erst einmal einigte man sich auf sieben Grundprinzipien. Der Wiederaufbau soll zugleich den Rechtsstaat stärken, die Korruption bekämpfen, maximale Transparenz garantieren, private Unternehmen beteiligen sowie Digitalisierung, Klimaschutz und Gleichberechtigung voranbringen.

Dies sind keine leeren Versprechungen. Die Ukraine war früher sehr korrupt, wandelt sich aber bereits. Das ukrainische Militär ist nur so schlagkräftig, weil die Korruption in der Armee entschieden bekämpft wurde. Die russische Annexion der Krim 2014 hatte den Ukrainern klar gemacht, dass ihr Land nur überleben kann, wenn der Staat funktioniert und nicht bestohlen wird.

Bleibt als zentrale Frage: Wer soll den Wiederaufbau zahlen? Russland? Die Oligar­chen? Der Westen? Deutlich ist bisher nur, dass die Schäden in der Ukraine immens sind. Sie werden bereits auf 750 Milliarden Dollar geschätzt, und der Krieg ist ja noch längst nicht vorbei, sodass es am Ende auch doppelt so viel sein könnte.

Das Vermögen der Oligarchen reicht nicht

Naheliegend wäre, dass vor allem Russland die Schäden begleichen muss. Schließlich hat Putin den Krieg zu verantworten. Geld wäre theoretisch auch vorhanden: Bekanntlich wurden die Guthaben der russischen Zentralbank eingefroren, die im Westen lagern. Das sind etwa 300 Milliarden Dollar. Hinzu kommt das Vermögen der russischen Oligarchen, das im Westen ebenfalls blockiert wurde.

Leider dürfte es sich jedoch als Illusion erweisen, dass Russland nennenswert zum ukrainischen Wiederaufbau beiträgt. Um bei den Oligarchen anzufangen: Sie sind zwar Milliardäre, dennoch ist ihr Vermögen übersichtlich. Selbst der reichste unter ihnen, Roman Abramowitsch, besitzt „nur“ 14,5 Milliarden Dollar. Das ist zwar viel Geld, reicht aber bei weitem nicht, um die Ukraine zu sanieren.

Zudem wäre die Rechtslage prekär: Die Oligarchen haben den Angriff auf die Ukraine nicht beschlossen. Zwar profitieren sie vom System Putin – sie sind aber nicht Putin. Nun zu Russland selbst: Die Ukraine lässt sich erst wiederaufbauen, wenn Frieden herrscht. Denn Putin verfügt über Langstreckenraketen, die jeden Landesteil treffen können. Er muss das Land also gar nicht mit seiner Armee besetzen, um große Schäden zu hinterlassen.

Putin dürfte aber keinem Frieden zustimmen, der Russland viele Milliarden Dollar kostet. Oder anders formuliert: Reparationen wären nur durchsetzbar, wenn die Ukraine Russland vernichtend schlagen würde. Das ist militärisch völlig ausgeschlossen und auch gar nicht das Ziel in Kiew. Es wäre schon ein enormer Erfolg, wenn die Ukraine einen Teil der besetzten Gebiete zurückerobern könnte. In jedem Fall aber wird Russland eine starke Militärmacht bleiben, die entscheidenden Einfluss darauf hat, wie der Frieden aussieht.

Da aus Moskau keine Milliarden für die Ukraine zu erwarten sind, bleibt nur der Westen, um das Land wieder aufzubauen. Das ist ungerecht, aber leider die Realität. Die gute Nachricht ist jedoch: Der Westen kann sich diese Hilfe leisten. Nicht umsonst wurde in Lugano der Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg zitiert. Damals hat die gezielte Hilfe der USA ein „Wirtschaftswunder“ in ganz Westeuropa ermöglicht. Dieses „Wunder“ lässt sich in der Ukraine wiederholen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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