Paragraf 219a ist abgeschafft: Ein Trippelschritt voran

Das Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche ist Geschichte. Jetzt braucht es aber auch genug qualifizierte Ärz­t*in­nen.

Eine Frau hälz einen Kleiderhacken in der Hand

Viele Jahre hat es gedauert, bis Paragraf 219a endlich abgeschafft wurde Foto: Imago

Das war es mit Paragraf 219a. Der Bundestag beschloss am Freitag, das Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche abzuschaffen – endlich. Wie unwürdig war es, dass in Deutschland Ärz­t*in­nen nicht öffentlich darüber aufklären durften, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen und mit welchen Methoden. Und doch ist das Ende dieses Paragrafen nur ein Trippelschritt auf dem Weg zum eigentlichen Ziel: Schwangerschaftsabbrüche müssen auch hierzulande selbstverständlicher Bestandteil der Gesundheitsversorgung werden.

Wie es geht, zeigt Spanien. Dort beschloss das Kabinett im Mai ein umfassendes Gesetz zu reproduktiver Gesundheit. Ein Aspekt: Alle öffentlichen Krankenhäuser mit gynäkologischer Abteilung müssen sicherstellen, dass sie Personal beschäftigen, welches Abbrüche durchführt. „Es ist die Pflicht der Regierung und ihr Anliegen, das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche im öffentlichen Gesundheitssystem zu sichern“, erklärte Gleichstellungsministerin Irene Montero.

In Deutschland hingegen gibt es gerade mal rund 1.100 Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, und ihre Zahl sinkt stetig. Dabei sind Abbrüche einer der häufigsten Eingriffe in der Gynäkologie. Rund 100.000 davon gibt es im Jahr. Eigentlich sind die Bundesländer verpflichtet, sicherzustellen, dass es genügend Einrichtungen gibt, die Abbrüche vornehmen. So sagt es das Schwangerschaftskonfliktgesetz.

In der Realität aber wissen die meisten Landesbehörden nicht einmal, wie viele Stellen es in ihrem Land gibt. Und zahlreiche Krankenhäuser führen den Eingriff außer in medizinischen Notfällen überhaupt nicht durch; vor allem jene in privater – oft kirchlicher – Trägerschaft. Das ist ein Trauerspiel und eine Missachtung des Menschenrechts auf Gesundheit.

Die Ampel hat Einiges versprochen, um der immer schlechteren Versorgungslage zu begegnen: Schwangerschaftsabbrüche sollen kostenfrei werden und Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung. Doch ähnliche Pläne wie in Spanien finden sich im Koalitionsvertrag nicht. Dabei hat eine Grünenpolitikerin 2020 ziemlich genau das vorgeschlagen. Doch Baden-Württembergs damalige Sozialstaatssekretärin Bärbl Mielich wurde eilig in die Schranken gewiesen – auch von ihrer eigenen Partei.

Hierzulande feiert man sich dafür, ein bizarres und überholtes Gesetz nach fünfjährigem Ringen abgeschafft zu haben. Aber für die wirklich wichtigen Schritte wird dieser Bundesregierung der Mut fehlen. Denn diese bedeuten Kontroverse – und dafür stehen reproduktive Rechte und Gesundheit leider noch immer zu weit unten auf der Prioritätenliste.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.