Linke Bewegung und der Ukraine-Krieg: Solidarität, aber richtig

Ob Widerstand gegen russische Invasoren oder Unterdrückung von LGBTQI: Die Grundlage für solidarisches Handeln ist oft, erst einmal zuzuhören.

Eine Demo mit einem Schild mit der Aufschrift: Wer Waffen liefert wird Krieg ernten

Klingt erst mal vernünftig, doch der Krieg kam diesmal zuerst Foto: dpa

Fast vier Monate ist es nun her, seitdem dem Putin seinen ausgewachsenen Angriffskrieg auf die Ukraine begann. Im Osten des Landes tobt ein brutaler Abnutzungskrieg, bei dem nur wenig Geländegewinne gemacht werden, aber täglich hunderte Soldaten im russischen Artilleriefeuer getötet oder verwundet werden. Auch auf russischer Seite dürften die Verluste immer weiter steigen, auch wenn keine genauen Zahlen bekannt sind.

Für viele Linke in Deutschland scheint es jedoch auch nach über hundert Kriegstagen schwer zu fallen, eine solidarische Haltung gegenüber den Menschen in der Ukraine zu entwickeln.

Gegen Losungen wie „Gegen jeden Krieg“ und der „Hauptfeind steht im eigenen Land“ ist angesichts der vielen NATO-Kriege der Vergangenheit nichts einzuwenden, jedoch bieten diese Positionen kaum Ansätze für politisches Handeln, das die Situation in der Ukraine konkret verbessert. Würde die umstrittene US-Airbase in Ramstein morgen geschlossen werden, würden nicht weniger Menschen in der Ukraine sterben.

Praktische Solidarität statt Oberlehrerhaftigkeit

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Die Forderung nach einem durch diplomatischen Druck erwirkten Waffenstillstand scheint da eine elegantere Lösung. Sie krankt aber daran, dass ukrainische Perspektiven in den meisten Fällen weitesgehend ignoriert werden. Da wird schonmal empfohlen, einfach den Osten des Landes russischer Besatzung zu überlassen, um den Krieg zu beenden. Doch die Entscheidung, ob sie kämpfen oder unter Besatzung leben wollen, können nur die Menschen in der Ukraine selbst treffen.

Wie lassen sich vor allem die progressiven Kräfte vor Ort praktisch unterstützen? Ein erster Schritt wäre es, linken Stimmen aus der Ukraine zuzuhören. Aus diesem Grund veranstaltet der Arbeitskreis Geschichte sozialer Bewegungen Ost-West die Diskussions-veranstaltung „Der Krieg, die Ukraine und das Dilemma der Linken mit der Solidarität“. Eingeladen sind neben ukrainischen Linken auch zwei deutsche Journalist:innen, die vor kurzem vor Ort bei einem Vernetzungstreffen in Lwiw waren (Mittwoch, 22. Juni, 20 Uhr, Buchhandlung Schwarze Risse, Gneisenaustraße 2).

Eine möglichst klare linke Positionierung zum Ukraine-Krieg ist nicht nur wichtig, um der beispiellosen Aufrüstung, die unter dem Vorwand des Krieges betrieben wird, etwas entgegenzustellen, sondern auch eine Vereinahmung von rechts zu verhindern.

Beispielsweise versuchen Corona-Leugner:innen seit einiger Zeit antimilitaristische Proteste zu vereinahmen. So wollen die „Freien Linken“, eine Querfront-Gruppe aus dem Querdenken-Umfeld, am Samstag am Pankower Anton-Saefkow-Platz eine Kundgebung gegen die US-Airbase in Ramstein veranstalten.

Um das rechtsoffene Treiben der angeblichen „Linken“ nicht unwidersprochen zu lassen, rufen die Antifa-Nordost, Geradedenken und die Antiverschwurbelte Aktion zu einer eigenen Demo „Gegen Krieg, Faschismus und Querfront“ auf (Samstag, 25. Juni, 12:30 Uhr, Antonplatz).

Kampf um das Recht, existieren zu dürfen

Besondere Aufmerksamkeit und Solidarität verdient dieser Tage auch die Situation von Queers in Osteuropa. Lesbische, Schwule, Bisexuelle und trans* Menschen sind in Russland seit Jahrzenten brutaler staatlicher Repression ausgesetzt. In EU-Ländern wie Polen und Ungarn gibt es einen homophoben Backlash, der die Situation von LGBTQI-Menschen ständig verschlechtert. In der Ukraine kämpfen Queers mit an vorderster Front.

Um den queeren Widerstand in Osteuropa sichtbar zu machen, zieht am Samstag die East Pride Demo durch Berlin. Treffend heißt es in dem Aufruf: „Diesen Kampf können wir nicht an bestimmte Institutionen wie etwa den Staat delegieren, sondern wir selber müssen uns in die Auseinandersetzung begeben.“ (Samstag, 21. Juni, 14 Uhr, Gethsemanekirche).

Auch hierzulande sind LGBTQI-Rechte nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern wurden mühsam erkämpft. Und können auch wieder verloren gehen, sollten sie nicht gemeinsam verteidigt werden. So sprechen religiös-fundamentalistische Bewegungen wie die im Wedding beheimatete Gruppe „Christen im Widerstand“ queeren Menschen nicht selten das Recht zu existieren ab.

Auch in den Moscheen des von der türkischen Regierung kontrollierten muslimischen Vereins DiTiB wird häufiger gegen Homosexualität gewettert. Dazu gesellen sich Antisemitismus und staatliche AKP-Propaganda, mit der die türkischen Angriffskriege auf die Kur­d:in­nen gerechtfertigt werden.

“Keine netten Nachbarn. Gegen jeden Fundamentalismus, gegen jeden Antifeminismus“, heißt die für Freitag angekündigte Demo, die den fundamentalistischen Umtrieben im Wedding etwas entgegenstellen soll. Die In­itia­to­r:in­nen werfen den Fun­da­men­ta­lis­t:in­nen vor, die sozialen Probleme des Weddings für ihre Ziele ausschlachten zu wollen (Freitag, 24. Juni, 18:30 Uhr, Leopoldplatz).

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Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.

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