Anhörung zum Sturm auf das US-Kapitol: „Illegal und verfassungswidrig“

Laut Untersuchungsausschuss ist Ex-Präsident Trump eine deutliche Gefahr für die amerikanische Demokratie. Seine Wäh­le­r*in­nen dürfte das kaltlassen.

Donald Trump wird auf einer Leinwand über einer Menge an Menschen gezeigt.

Trat nicht persönlich auf, war bei der Anhörung aber omnipräsent: der Ex-Präsident Foto: reuters

NEW YORK taz | Eine „Revolution“ und die erste „Verfassungskrise seit Gründung der Republik“ – das hätte den USA nach Aussage des konservativen Ex-Richters Michael Luttig gedroht, wenn sich der frühere Präsident Donald Trump trotz Wahlniederlage an der Macht hätte halten können. Am Donnerstag führte der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das US-Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 seine dritte Anhörung durch – und der konservative Luttig warnte dabei eindringlich, dass „Donald Trump und seine Un­ter­stüt­ze­r*in­nen und An­hän­ge­r*in­nen eine deutliche und gegenwärtige Gefahr für die amerikanische Demokratie“ und die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2024 darstellten.

Es ist bereits Halbzeit bei den Anhörungen – drei von insgesamt sechs geplanten Sitzungen sind vorüber. Mit einer ausgefeilten Choreografie aus Live-Zeugenaussagen, Videos von Befragungen und Material vom Sturm auf das Kapitol haben die neun Mitglieder ein eindrückliches, aber nicht unerwartetes Bild der Vorgänge gezeichnet: Donald Trump steht im Mittelpunkt, als uneinsichtiger Hauptverantwortlicher für die Gewalt und Chaos am 6. Januar 2021.

An diesem Tag hatten wütende Trump-Anhänger*innen versucht, den US-Kongress mit Gewalt daran zu hindern, den Wahlsieg des Demokraten Biden formal zu bestätigen. Sie stürmten das Gebäude. Die Sitzung musste unterbrochen werden, Abgeordnete mussten sich verstecken, um der Gewalt der Eindringlinge zu entgehen.

Trump hatte seine Fans über Wochen mit Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug aufgehetzt und seine Bemühungen, Bidens Sieg zu kippen, schließlich auf seinen Vize konzentriert. Von Mike Pence verlangte er, die Zertifizierung des Wahlgewinners zu stoppen – was dieser zur großen Wut Trumps ablehnte.

Druck schrittweise erhöht

Wie der Ex-Präsident mit einer Einschüchterungskampagne den Druck auf Pence Stück für Stück erhöhte, stand nun im Zentrum der dritten Anhörung. Ausschuss-Vorsitzender Bennie Thompson aus Mississippi begann damit, ein Pence-Zitat zu paraphrasieren: „Es gibt kaum eine unamerikanischere Idee als die, dass eine einzige Person den amerikanischen Präsidenten bestimmen könnte“, sagte der Demokrat Thompson. „Dem stimme ich zu – was ungewöhnlich ist, da der frühere Vizepräsident und ich uns selten einig sind.“

Was Trump von seinem Vize verlangte, „war nicht nur falsch, es war illegal und verfassungswidrig“, sagte danach die stellvertretende Ausschussvorsitzende Liz Cheney aus Wyoming, die wohl bekannteste Widersacherin Trumps innerhalb der Partei.

Wäre es ein Theaterstück, ihm würden die wichtigsten Protagonisten fehlen: Weder Donald Trump noch sein Vize Pence sagen in den Anhörungen aus, dafür jedoch Be­ra­te­r*in­nen und Vertraute. Wie der Anwalt und Pence-Berater Greg Jacob, der von Gesprächen mit Trumps Anwälten berichtete. Diese seien durchaus darüber informiert gewesen, dass Pence keine legale Handhabe hatte, die Anerkennung des Wahlsiegs zu blockieren, doch sie halfen dem Ex-Präsidenten wider besseren Wissens, den Druck zu erhöhen.

So habe der Jurist John Eastman ihm nach einer Diskussion zugestimmt, dass der Oberste Gerichthof eine solche Blockade einstimmig für rechtswidrig erklären würde. Einer dem Ausschuss vorliegenden Mail zufolge hatte Eastman zudem nach dem 6. Januar darum gebeten, dass er auf eine Liste für eine Begnadigung durch den Präsidenten gesetzt werde.

Falsche Behauptungen

Schon in den ersten beiden Sitzungen war der Ausschuss mithilfe von Videos und Live-Zeugenaussagen diesem Rezept gefolgt: Zeigen, dass viele in Trumps Umfeld genau wussten, dass die Behauptungen des damaligen Präsidenten falsch waren und juristisch keinen Bestand haben würden – und Trump somit gewarnt war. Dann nachweisen, dass der Ex-Präsident sich trotzdem entschieden hatte, seine Lügen zu verfolgen – mit dem Wissen, dass es dabei zu Gewalt kommen könnte.

Tatsächlich hatte der Angriff auf das Kapitol etliche Verletzte zur Folge sowie den Tod von mehreren Protestierenden und auch von Po­li­zis­t*in­nen – teils durch späteren Suizid. Eine Polizistin hatte in der ersten Sitzung von ihren Erlebnissen berichtet und den Schutz vor dem wütenden Mob mit einem Schlachtfeld verglichen: „Es war ein Blutbad, es war Chaos.“

Ob aber die Wäh­le­r*in­nen daraus Konsequenzen ziehen? „Ich denke nicht, dass sich dadurch zwangsläufig etwas an der politischen Situation ändern wird“, sagt der Politikwissenschaftler Kyle Kondik von der University of Virginia. Für die Halbzeitwahlen im November, bei denen ein Drittel des Senats und das gesamte Re­prä­sen­tan­t*in­nen­haus neu gewählt werden, würden die Anhörungen wohl eher keine Rolle spielen.

Die Wäh­le­r*in­nen­schaft sei in gewisser Weise „darüber hinweg“, die Demokratische Partei habe mit der Inflation und der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Lage ein dringlicheres Problem. „Aber es ist eine Erinnerung daran, dass Trump offen gesagt eine ziemlich gefährliche Person ist.“ Das habe womöglich einen Einfluss darauf, ob er wieder als Präsidentschaftskandidat nominiert werde.

Der Ex-Präsident jedenfalls teilte am Donnerstag im sozialen Netzwerk Truth Social gegen die im TV übertragenen Anhörungen aus. Es sei eine „Hexenjagd“, schrieb Trump. Deshalb fordere er die gleiche Sendezeit für sich – um über den vermeintlichen Wahlbetrug zu informieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.